Für die Mülheimer ist Köln samt Dom ganz weit weg. "Da hinten ist Köln", sagt Bezirksbürgermeister Norbert Fuchs und zeigt vom Mülheimer Rheinufer auf die Domspitzen. Die Mülheimer pflegen ihre Unabhängigkeit. Erst 1914 wurde das Veedel ein Teil Kölns. Als sogenannte Schäl Sick, also: falsche Rheinseite, pflegen sie zu den rechtsrheinischen Kölner Stadtteilen ein besonderes Verhältnis.
Stephan Brandt ist ein Ur-Mülheimer. Seit 55 Jahren lebt er hier und hat besonders die Mülheimer Kirmes in Erinnerung. "Diese riesige Kirmes, das war sensationell!", sagt er. Heute ist die Kirmes kleiner und der Wiener Platz auf dem sie steht wurde umgebaut. "Die Erinnerungen an den alten Wiener Platz gehen mit dem neuen nicht weg. Das bleibt alles", sagt er. Hier im Herzen Mülheims trifft sich Brandt mit Freunden und Nachbarn.
Für Helen und Friedrich ist das Veedel ein guter Ort zum Wohnen, weil hier die Mietpreise noch stimmen würden. "Das Preis-Leistungsverhältnis passt einfach. Hier kriegt man tatsächlich noch etwas Gutes, für gutes Geld. Nicht so wie in anderen Stadtteilen", sagt Friedrich. Helen spaziert fast täglich an der Rheinpromenade entlang und mit der Stadtbahnlinie 18 ist sie schnell in Köln. Für sie sei Mülheim einfach ideal, sagt sie.
Doch gerade die Verbindungen nach Köln stören Bezirksbürgermeister Fuchs. Denn Mülheim als alter Hafenstadtteil hat keine Schiffsanbindung ins rechtsrheinische Köln. Genau vor der Mülheimer Brücke kehren die Rheinfähren um. Das will Fuchs noch ändern, verspricht er. Denn direkt am Rhein liegt die Mülheimer Kirche Sankt Clemens. Sie ist eine ehemalige Schifferkirche und ihre Geschichte geht bis auf das 12. Jahrhundert zurück. Mülheim ohne Schiffsverkehr, ohne ein Müllemer Böötche, passe überhaupt nicht, meint Fuchs.
Selbst Kölner kennen Mülheim kaum
Für viele Mülheimer ist ihr Veedel ein quirliges, buntes und vor allem häufig unterschätztes Viertel. Eine Anwohnerin erzählt, wie sie Menschen aus Köln-Ehrenfeld von der anderen Rheinseite von ihrem Mülheim überzeugt hat. "Die wussten gar nicht, dass Mülheim so tolle Ecken hat. Dabei kommen die aus Köln! Die wussten das nicht!", sagt sie.
Auf dem Wiener Platz hat zwischen Dosenwerfen und Schießbuden ein Café Tische und Stühle aufgebaut. Stephan Brandt trifft dort Freund und Nachbarn, wie Klaus. Er wohnt fast so lange wie Brandt im Veedel. Auch er kann sich ein anderes Zuhause nicht mehr vorstellen. "Mülheim möcht ich niemals missen, niemals!", sagt er.
Mülheim ist ein Heimat-Veedel
Als Stephan Brandt an seiner Lieblingseisdiele vorbeiläuft kommen Erinnerungen an seine Kindheit hoch. Er schwärmt von seiner Oma, die ihm eine Kugel Eis ausgegeben hat. "Die Eisdiele existiert seitdem ich hier lebe", sagt er. Im kommenden Jahr feiert sie ihr 70. Jubiläum. "In Mülheim liegt etwas, was einen immer wieder hierher bringt", sagt Brandt. Was das genau sei, könne er gar nicht sagen, denn das sei eben das Mülheim-Gefühl.
Über dieses Thema berichteten wir auch im WDR-Fernsehen am 29.06.2023: Lokalzeit Köln, 19.30 Uhr.