Fabrik K14: Zwischen Undercover-Polizisten und schottischer Folklore
Stand: 26.11.2023, 09:09 Uhr
Die Fabrik K14 ist das älteste soziokulturelle Zentrum Deutschlands. Während es inzwischen eine Institution in Oberhausen ist, fürchtete man früher einen linken Umsturz.
Von Mirjam Ratmann
Das K14 und die Polizei
Ein Mann mit Schlapphut und Trenchcoat setzt sich an den Tresen. Dichter Zigarettenrauch liegt in der Luft der alten Schlosserei, in dem sich der "Verein zur Förderung politischer Bildung" trifft. Er versucht unauffällig zu agieren, doch für jeden im Raum ist klar: Er ist ein Polizist. Draußen auf der Straße steht ein Auto, aus dem Fenster ragt eine lange Antenne. Das Kommissariat 14 in Oberhausen hat den Verein im Visier. Denn sie befürchten hier, in der Lothringer Straße 64, eine potenziell gefährliche linksextreme Zelle.
Wenn Stephan Brieden, damals Anfang 20, rückblickend von der Anfangszeit der Fabrik K14 in den 1970er-Jahren erzählt, lächelt er verschmitzt. Kurz nach dem Besuch der Polizisten gab sich der Verein den Beinamen "K14". Über 50 Jahre später steht die vermeintlich linksextreme Zelle immer noch - und ist inzwischen nicht nur eins der wichtigsten Kulturzentren im Ruhrgebiet, sondern auch das älteste soziokulturelle Zentrum Deutschlands.
Soziokulturelle Zentren: Kultur für alle
In Deutschland gibt es über 750 solcher Zentren. In Nordrhein-Westfalen sind die rund 82 in der Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultureller Zentren NRW (LAG) organisiert. Sie sind nicht nur Orte der Kultur, abseits sogenannter Hochkultur, sondern Orte der politischen Bildung. Sie leben politische Debatte, immer mit klarer Abgrenzung nach rechts - so auch im K14 in Oberhausen.
Stephan Brieden brät Buletten
00:23 Min.. Verfügbar bis 25.11.2025.
An diesem Abend bietet Brieden, inzwischen 64, seinen Gästen "Ruhrgebiets-Haggis" an. "Original schottische Buletten", wie ein Plakat verspricht. Dazu gibt es Whisky, natürlich auch schottischen. Die schottische Folkband "North Sea Gas" spielt ein Konzert in der Fabrik K14 in Oberhausen. Um die Frikadellen aus Rind- und Lammhack, Knoblauch und Zwiebeln vorzubereiten, stand Brieden am Vorabend knapp sechs Stunden in der Küche.
Seine Frau Evi Brieden sitzt derweil neben der Eingangstür an der Kasse, gibt Tickets heraus und versucht direkt Karten für das nächste Jahr zu verkaufen. "Überlegen Sie es sich gut, die sind immer schnell weg", sagt sie zu einer Frau. Für das Folkkonzert mussten Besucher 15 Euro zahlen. "Kulturelle Vielfalt sollte für jeden finanzierbar sein", findet Brieden. Lesungen oder Konzerte im K14 kosten selten mehr als 20 Euro.
Stephan Brieden ist Vorstandsmitglied des K14. Veranstaltungen sind zur wichtigsten Einnahmequelle für das K14 geworden. Die ersten 20 Jahre finanzierte sich das K14 aus Eigenkapital des Vereins. Inzwischen bekommt das Zentrum Zuschüsse der Stadt. "Die Fördersumme deckt aber nicht einmal unsere Miete ab", sagt Brieden.
Die Ursprünge
Brieden ist im K14 aufgewachsen. Seine Eltern, Heinz und Ingrid Brieden, hatten das K14 1969 gemeinsam mit anderen SPD-Mitgliedern gegründet. Inmitten der 68er-Bewegung sahen sie eine kulturelle Lücke in Oberhausen. In der Eberstraße, direkt hinter dem Hauptbahnhof, mieteten sie einen Keller. Dort eröffneten sie eine Kneipe, veranstalteten politische Lesungen und Diskussionsrunden. 1972 zogen sie in die Lothringer Straße um. "Damals war das Ding jeden Tag voll", sagt Brieden. Andere soziokulturelle Zentren hätte es nicht gegeben. Seither hat das K14 andere Zentren inspiriert, manche sind gar unmittelbar aus ihm hervorgegangen, wie das Druckluft, das ebenfalls in Oberhausen liegt.
Ingrid und Heinz Brieden
Inzwischen hat das K14 durch Kneipen, Restaurants und Clubs zwar Konkurrenz in Oberhausen, am heutigen Abend ist es trotzdem ausgebucht. Der Veranstaltungssaal, auf dessen Bühne ein Banner "The Best of Scotland" verspricht, ist fast bis auf den letzten Platz besetzt. Dann wird "North Sea Gas" angekündigt und kurz darauf schallen Klänge von Mandoline, Gitarre und Violine durch den Saal, der rund 120 Leute fasst: Sitzkonzert statt linker Gesellschaftsumsturz.
Gegen Nazis
Das K14 verstehe sich aber immer noch als linker Laden, sagt Brieden. Deswegen seien alle willkommen, "außer Nazis und Faschos". Anfang der 2000er-Jahre kam eine Gruppe von Neonazis ins Zentrum. Randalierte, wollte Plakate von der Wand reißen. Die Polizei konnte Schlimmeres verhindern. Seither sei nichts dergleichen mehr passiert. Doch der Ruf, Teil der autonomen linken Szene zu sein, halte sich hartnäckig. "Es gibt in Oberhausen immer noch ältere Mitbürger, die denken, dass wir hier Kommunismus predigen", sagt Brieden. Die Ortsgruppen von SPD, Linken und Grünen halten ihre Sitzungen im K14 ab, ebenso wie der Integrationsrat der Sinti und Roma. Über der Theke sitzt eine schwarze Styropor-Büste von Wladimir Lenin. Ein Geschenk des Theater Oberhausen.
Ob Lenin im K14 auch seinen Spaß gehabt hätte?
In den vergangenen Jahrzehnten kam Politik- und Literatur-Prominenz wie Gregor Gysi oder Eva-Maria Hagen in diesen Saal, ebenso wie der ehemalige Präsident des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel. Das Programm, eine Mischung aus Jazz- und Rockkonzerten, Kunst-Workshops, politischen Diskussionsabenden und Lesungen, stellt der Vorstand zusammen. Rund 40 Veranstaltungen sind es pro Jahr. Viele Künstlerinnen und Künstler kämen wieder. Der gute Ruf geht über Oberhausen hinaus: Zu Konzerten reisen Besucherinnen und Besucher aus dem Münsterland, Frankfurt oder den Niederlanden an.
Die Sorge um den Nachwuchs
Obwohl das K14 geschätzt wird, hat es ein Problem: Nachwuchs. Stephan und Evi Brieden sowie der Rest des Vorstandes sind in Rente. Trotzdem arbeiten sie bis zu 15 Stunden in der Woche für das K14, ehrenamtlich und meistens an Wochenenden. In früheren Jahren seien es 30 Stunden gewesen, sagt Stephan Brieden - neben einem Vollzeitjob auf dem Bau.
Helmut Schlünzen (links) und Stephan Brieden (rechts)
Im kommenden Jahr soll eine Konzertreihe mit jungen Musikerinnen und Musikern jüngeres Publikum anlocken, erhoffen sie sich. "Vielleicht findet sich dann jemand, der sich hier langfristig engagieren will", sagt Helmut Schlünzen, 69, ebenfalls Vorstandsmitglied. Es sei das einzige kulturelle und politische Zentrum in Oberhausen für ein Publikum "Ü40", so Schlünzen. Deswegen müsse es bewahrt werden. "Es braucht diese Zentren unbedingt, um auf vernünftiger Ebene Meinungen auszutauschen, um zu diskutieren. Daher ist es unsere Aufgabe, das weiter am Leben zu erhalten."