
Das ukrainische Mädchen Nastya und seine Löwenmutter
Städteregion Aachen | Heimatliebe
Stand: 24.02.2025, 07:06 Uhr
Vor drei Jahren musste die heute elfjährige Nastya mit ihrer Mutter aus der Ukraine fliehen. In Aachen haben die beiden eine neue Heimat gefunden. Hier kann Nastya wieder ihrer Leidenschaft nachgehen: dem Turmspringen.
Von Claudia Becker
Wenn die elfjährige Nastya oben auf dem Fünf-Meter-Turm steht, vergisst sie alles: die alte Heimat, die Bomben, die Freunde, die sie zurückgelassen hat. Für sie zählt jetzt nur noch der perfekte Sprung. Der kleine Körper angespannt, das Gesicht voller Konzentration. Dann springt sie ab, scheint einen Moment lang fast schwerelos zu sein und landet kopfüber im Becken. Seit zwei Jahren trainiert Nastya beim Aachener SV Neptun. Zwei Stunden täglich, sechs Tage die Woche. Denn sie hat große Pläne.
Nastya weiß genau, was sie in Zukunft erreichen will
00:08 Min.. Verfügbar bis 24.02.2027.
Dass Nastya einmal Medaillen gewinnt, sei mehr als nur der Traum einer Elfjährigen, sagt ihr Trainer Hamed Bazmi. Daraus könne wirklich etwas werden. "Nastya ist nicht nur gut - sie ist perfekt. Und sie ist eine der ehrgeizigsten Sportlerinnen beim SV Neptun."
Hamid Bazmi freut sich, dass Nastya gerne zum Training kommt
00:45 Min.. Verfügbar bis 24.02.2027.
Auf der Tribüne beobachtet Karin Ackmann das Training der kleinen Nastya. Sie leitet die Abteilung Wasserspringen beim SV Neptun. Ohne sie wäre Nastya wohl nie in Aachen gelandet. Als sie vor drei Jahren über Bekannte erfährt, dass in Düsseldorf ein kleines Mädchen angekommen ist, das für sein Leben gerne wasserspringt, holt sie Nastya und ihre Mutter Nataliia Vodianytska nach Aachen. Die beiden haben zu diesem Zeitpunkt bereits einiges hinter sich.
Flucht aus der Ukraine, Neuanfang in Aachen
Als der russische Angriffskrieg Ende Februar 2022 ihre Heimatstadt Charkiw erreicht, rettete sich die alleinerziehende Mutter mit ihrer Tochter und anderen Familien in einen alten Luftschutzbunker. Zehn Tage harrten sie dort aus, während über ihren Köpfen die Bomben fielen. Es sei das Schlimmste gewesen, was sie je erlebt habe, erzählt Vodianytska. Schließlich flohen die 42-Jährige und ihre Tochter mit dem Auto durch das ausgebombte Charkiw. "Als wir gefahren sind, fielen rechts und links Bomben, überall floss Wasser. Meine Tochter hat geschrien, dass sie nicht sterben will."
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Mit ein paar anderen Familien landeten sie schließlich in Deutschland. Vodianytska und Nastya gehören zu den 1,2 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer, die seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf das Land in Deutschland Schutz gesucht haben. Dabei hat nach Angaben des Ausländerzentralregisters das größte Bundesland NRW mehr als 260.000 ukrainische Flüchtlinge aufgenommen, so viele wie kein anderes Bundesland.
Wie der Verein Nastya und ihrer Mutter zur Seite steht
Ohne Job, ohne Sprachkenntnisse und ohne Geld wagten Vodianytska und ihre Tochter einen Neuanfang. "Wir waren drei Familien, die nach Düsseldorf gekommen sind. Wir hatten alle keine Ahnung, was wir jetzt machen sollen, außer meiner Tochter. Sie wollte mit Turmspringen weitermachen. Darin war sie schon in der Ukraine sehr gut", sagt Vodianytska.

Wasserspringen ist Nastyas große Leidenschaft
Ackmann besorgt den beiden eine Wohnung, einen Schulplatz für Nastya, unterstützt sie bei Behördengängen. Das deutsche System, sagt sie, sei ja schon für Deutsche schwer zu verstehen. "Wenn dann jemand mit wenig Sprachkenntnissen kommt, dann ist es umso schwerer. Diese Menschen brauchen einfach Unterstützung."
Als Vodianytska sah, wie ihre Tochter in Aachen aufblühte, entschied sie sich, den beiden dort ein Leben aufzubauen und eröffnete eine Kinderboutique. Dort verkauft sie Kinderkleider, die ihre Schwester in Düsseldorf entwirft.
Was sich Nataliia Vodianytska für ihre Tochter wünscht
00:17 Min.. Verfügbar bis 24.02.2027.
Über ihre alte Heimat spricht Nastya nicht gerne. Sie will keine Nachrichten vom Krieg hören, sie will das alles vergessen. Sie sei jetzt in Aachen zu Hause, sagt die Elfjährige. Hier hat sie Freunde und vor allem ihren geliebten Sport.
Über dieses Thema haben wir auch am 06.02.2025 im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Aachen, 19.30 Uhr.