Johannes Dung öffnet den schweren Deckel eines alten Koffers. Drinnen liegt sein treuer Begleiter seit über 60 Jahren - ein Nikolausgewand. Aufwendig genäht aus rotem und weißem Stoff, hier ein bisschen Plüsch, da ein bisschen Gardine. Dazu eine goldene Bischofskrone und ein langer goldener Bischofsstab. Und natürlich darf auch ein dichter, weißer Rauschebart nicht fehlen.
Für den 79-jährigen Dung ist es heute sein letzter Auftritt als Nikolaus. Hier in einem Hotel-Restaurant in Alfter, westlich von Bonn. "Es ist die gleiche Aufregung, wie bei den ersten zwei, drei Auftritten", murmelt er, während seine Finger über den roten Stoff des Gewanndes streichen.
Wie immer sind seine beiden Töchter dabei. Angelika Jansen legt ihrem Vater den Mantel über die Schulter und befestigt den weißen Bart mit einem Gummiband an seinem Kopf. Der Enkel schlüpft parallel in die Rolle des Knecht Ruprecht.
Ein Leben als Nikolaus
Dung und sein zweites Leben als Bischof. Das ist eine lange Geschichte. 1961 - da ist Dung 16 Jahre alt - wünscht er sich, dass er Nikolaus sein kann. Seine Mutter erfüllt ihm diesen Wunsch. Nach einem Bischofsbild näht sie das aufwendige Kostüm. Das Kostüm, das seitdem unzählige Augen zum Leuchten gebracht hat.
Begonnen hat alles im kleinen Rahmen. Bei Dungs Onkel und seinen vier Töchtern. Doch schnell spricht sich sein Einsatz als Nikolaus herum. Als er als Anstreicher in einem Altenheim arbeitet, spricht ihn die Heimleiterin an, ob er dort nicht auch auftreten könnte. Seitdem zieht Dung Jahr für Jahr als Nikolaus durch die Straßen von Bad Godesberg und später auch Alfter.
Jahrzehntelange Familientradition
Auch für seine eigenen Töchter hat Dung früher den Nikolaus gespielt - bis sie ihm auf die Schliche gekommen sind. Tochter Jansen erinnert sich noch genau an den Moment, als sie hinter das Geheimnis kam.
Was als gut gehütetes Geheimnis begann, wurde zur Familientradition. Dungs Frau chauffierte ihn zu seinen Auftritten, half beim Ankleiden. Und wenn das Gewand repariert werden musste, war sie auch da. Die Töchter packten die Nikolaustüten.
Besonders bewegen Dung bis heute sichtlich seine Besuche im Altenheim. In den frühen Morgenstunden hat er dort kleine Tüten mit Süßigkeiten verteilt und bei den Bewohnern kostbare Kindheitserinnerungen geweckt. "Denen standen die Tränen in den Augen", erzählt er, während er in einem alten Fotoalbum blättert.
Der letzte Auftritt als Nikolaus nach mehr als 60 Jahren
Dungs letzter Auftritt beginnt: Er betritt einen Raum im Restaurant, in dem viele Kinder und Senioren sitzen. Sie singen ein Weihnachtslied. Dung verteilt seine kleinen Geschenke, viele Menschen hier kennt er seit 30 Jahren. Dann eine kleine Abschiedsrede.
Sichtlich gerührt verlässt Dung den Raum. "Wenn wir dann auch noch so verabschiedet werden, sind ja alle froh", sagt er leise, das schwere Gewand noch auf den Schultern. Für seine Töchter wird er immer der Nikolaus bleiben. Sein Zepter möchte er jetzt an seinen Enkel Cedric weitergeben.
Über dieses Thema berichteten wir auch am 06.12.2024 im WDR Fernsehen: Lokalzeit aus Bonn, 19.30 Uhr.