Mitarbeiter stellen die Ziegel im Ofen auf

Wie 1830: Hier werden Ziegel noch handgemacht

Landkreis Heinsberg | Heimatliebe

Stand: 16.01.2024, 10:26 Uhr

Echtes Handwerk ohne Industrieroboter: Das Familienunternehmen Gillrath in Erkelenz fertigt Ziegel auf traditionelle Art. Und das dank eines Arbeitsgeräts, das es nur noch ein einziges Mal in NRW gibt.

Von Martin Henning (Text) und Thomas Wenkert (Multimedia)

Es ist heiß im Ringofen der Firma Gillrath. Um genau zu sein, 40 Grad heiß. Drei Mitarbeiter schnappen sich in hohem Tempo Ziegelrohlinge, die auf einem Transportkarren stehen und stapeln sie vor sich auf. Mal längs, mal quer. Diese Ziegel werden gleich gebacken. Zwischen jede Reihe streuen sie Sand, damit die Rohlinge nicht aneinander kleben. Kaum ist der eine Transportkarren leer geräumt, schiebt ein weiterer Mitarbeiter schon den nächsten in den ovalen Raum. Es ist Knochenarbeit.

Das Stapeln und Brennen der Steine

00:52 Min. Verfügbar bis 16.01.2026

Im Familienunternehmen Gillrath, geführt von den Brüdern Sebastian und Markus, wird Tradition großgeschrieben. Nicht nur, weil es seit über 100 Jahren besteht, mittlerweile in der vierten Generation. Sondern auch, weil die Gillraths als einziger Betrieb in NRW noch auf den Rheinischen Ringofen setzen.

So funktioniert der Rheinische Ringofen

Der Rheinische Ringofen wurde 1839 in Fürstenwalde erfunden und hat eine besondere Wirkweise. Während sich bei den heutigen Industrieöfen die Steine um das Feuer drehen, ist es im Rheinischen Ringofen andersherum. Der ovale Ofen besteht aus verschiedenen Kammern, die durch einen Brennmeister mit Brennstäben einzeln erhitzt werden können. Weil die Mitarbeiter die Ziegel im Rheinischen Ringofen händisch und damit flexibel setzen können, ist es viel einfacher, individuelle Muster zu brennen.

Nachdem die Mitarbeiter die Ziegel gestapelt haben, steigt Brennmeister Rainer Gerhards auf das Dach des Ofens. Das ist mit Ziegeln gepflastert und sieht mit seinen vielen Schläuchen, Metalltrichtern und Löchern im Boden aus wie eine alte Forschungsstation.

Brennmeister Rainer Gerhards

Rainer Gerhards auf dem Dach des Ringofens

Meistens brennt Gerhards die Ziegel in drei Stufen: erst kommt ein schwaches Vorfeuer, dann das Hauptfeuer, der eigentliche Brennvorgang, zum Schluss folgt ein schwaches Nachfeuer. "Man muss darauf achten, dass man im Vorfeuerbereich das Feuer nicht zu schnell hochtreibt, weil die Steine dann sehr gerne reißen", sagt der Brennmeister.

Bis zu 4,5 Millionen Ziegel im Jahr

Einen Ziegel herzustellen, ist fast vergleichbar mit Backen. Nur die Zutaten sind anders: Ton, Lehm und Sand werden zu einem Rohling zusammengemischt und in Form gebracht. In Erkelenz sind die Rohstoffe direkt vor der Haustür, in der betriebseigenen Grube. In welcher Farbe der fertige Ziegel leuchtet, hängt davon ab, wie der Ton beschaffen ist. "Unser Ton hat einen vierprozentigen Eisenanteil, der brennt von Haus aus rot. Wenn wir einen weißen Stein machen wollen, dann brauchen wir einen Ton, der sehr wenig Eisen hat. Zwischen einem und 1,5 Prozent", erklärt Chef Bastian Gillrath.

Bastian Gillrath, Gillrath Ziegel- und Klinkerwerk

Bastian Gillrath führt das Traditionsunternehmen zusammen mit seinem Bruder

Für andere Farben lassen sich die Tonarten mischen. Und es hängt davon ab, wie lange die Steine im Ofen erhitzt werden. Je länger, desto dunkler werden sie.

Bis zu 25.000 Ziegel und Klinker (werden noch heißer gebrannt als Ziegel) produziert der Betrieb täglich, pro Jahr sind es 4,5 Millionen. Die Steine der Brüder Gillrath findet man nicht nur an normalen Häusern, sondern auch an Kirchen. Und nicht nur in Deutschland: Sie sind unter anderem auch in New York und Barcelona zu sehen. Gillrath macht das stolz: "Der Klinker hat immer noch eine große Zukunft. Die keramischen Produkte haben eine über 4000-jährige Geschichte und wir sehen mit den Produkten Potenzial, noch mehr zu schaffen."

So wird der Ziegelrohling gemacht

00:32 Min. Verfügbar bis 16.01.2026

Die Weichen für die Zukunft sind gestellt: Bald wollen die Brüder Gillrath die ersten klimaneutralen Ziegel herstellen. Für den Innenausbau wollen sie auf Lehmsteine setzen, weil Lehm ein ökologischerer Baustoff ist. Und sie arbeiten mit Abbruchunternehmen zusammen. Was dort an "Müll" anfällt, wird bei den Gillraths zu neuen Ziegeln mit einzigartigem Design.

Über das Thema haben wir am 31.10.2023 auch im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Aachen, 19.30 Uhr.