Porträt eines Mannes

Gothics und Waver: Erinnerungen an die schwarze Szene im Ruhrgebiet

Bochum | Heimatliebe

Stand: 13.03.2025, 16:27 Uhr

In den 80er-Jahren war das Ruhrgebiet sowas wie das Epizentrum der Grufties, Gothics und Waver. Ihr Treffpunkt war die Diskothek "Zwischenfall" in Bochum. Klaus Märkert prägte als DJ den Soundtrack der sogenannten schwarzen Szene mit. Er begibt sich auf eine Zeitreise zurück in die Mitte der 80er-Jahre.

Von Christian Zimmer

Die dunklen, verwinkelten Gänge des ehemaligen Bahnhofs Langendreer führen in Richtung eines kleinen Saals. Es riecht ein wenig nach abgestandenem Bier. In der einen Ecke des rund 100 Personen fassenden Raums drückt Klaus Märkert die Tasten eines Laptops. Der Beamer an der Decke flackert und auf der Leinwand erscheinen schwarz-weiße 80er-Jahre-Videobilder. Die Qualität ist nicht besonders gut, aber man erkennt viele junge und wild gestylte Menschen. Sie tragen lange Gewänder und haben blasse Gesichter. Es handelt sich um Grufties, Gothics oder Waver. "Viele hatten eine Art Hubschrauber-Frisur. Die Haare standen tellerartig nach außen ab", erinnert sich der heute 71 Jahre alte Klaus Märkert.

Es sind private Videoaufnahmen von einem Freitag- oder Samstagabend in der legendären Disko Zwischenfall in Bochum. Entstanden sind sie etwa Mitte bis Ende der 1980er-Jahre, als Märkert häufig als DJ unterwegs war. "Unsere Bands waren The Cure, Joy Division, Bauhaus oder Sisters of Mercy. Auffällig war die Art, wie sich die meisten bewegten. Manche machten nur zwei, drei kleine Schritte vor und wieder zurück. Andere schritten leicht schwingend durch den ganzen Raum. An der Wand machten sie einen Knicks, drehten sich um und wandelten träumerisch zurück. So ging das den ganzen Abend."

DJ Klaus Märkert erinnert sich an die Vorreiterbands für die schwarze Szene 00:31 Min. Verfügbar bis 13.03.2027

Die Diskothek Zwischenfall war damals der Laden der schwarzen Szene. Die Grufties und Waver kamen aus dem ganzen Ruhrgebiet, aber auch aus dem Rheinland oder vom Niederrhein. Sogar Niederländer reisten zum Feiern an. "Man fieberte die ganze Woche auf diese Abende hin", sagt Märkert.

Viel Unverständnis für die schwarze Szene

Die Musik und der Look waren Ausdruck einer besonderen Haltung. Es ging um Traurigkeit und Depression. Die schwarze Kleidung, religiöse oder okkulte Symbole und die hell geschminkte Haut machten manchen "Normalos" Angst. Die Szene polarisierte. Ihre Mitglieder wollten Zorn und Weltschmerz nicht rausschreien, sondern im Inneren zelebrieren. Sie feierten Melancholie und Dunkelheit. Die Szene romantisierte den Tod. Die Stigmatisierung durch die Öffentlichkeit ließ nicht lange auf sich warten.

Ein Sarg als angebliches Bett 

Sie beten den Teufel an und treffen sich auf Friedhöfen, sind die Vorurteile, mit denen die Szene auch heute konfrontiert wird. "Tatsächlich habe ich von einigen wenigen Fällen von Okkultismus und Satanismus gehört, aber die allermeisten sind viel friedlicher, als man es von anderen Diskotheken dieser Zeit kennt", versichert Märkert und blättert in einem Stapel alter Zeitungen.

Auch Zeitschriften zeigten, wie eigen die Szene ist | Bildquelle: WDR

Irgendwann entdeckten die Medien die Szene für sich, so der 71-Jährige, "hier ist ein Bericht über einen Kollegen von mir. Die Zeitschrift Quick hat ihn zuhause besucht und porträtiert." An den Wänden der Wohnung hingen Kreuze und Bandposter. Mitten im Zimmer stand ein Sarg. Märkert erinnert sich, dass die Zeitungsleute ihn mitbrachten "und der Fotograf hat ein Bild gemacht." Der Titel war später "Ein Sarg als Bett". Irgendwann beruhigte sich das Interesse der Medien.

Wie mit einem Trick der Sarg in den Fokus rückte 00:24 Min. Verfügbar bis 13.03.2027

In den ersten Jahren fanden in Köln regelmäßig Gothic- und Dark-Waver-Treffen statt. Passanten blieben irritiert stehen und wunderten sich über die bunte, schwarze Masse auf der Domplatte. Nach der Wende um 1990 kristallisierte sich aber Ostdeutschland als Pilgerstätte heraus. Es entstanden die Wave-Gothic-Treffen in Leipzig. Mittlerweile sind das regelrechte Familientreffen. Ältere Grufties bringen ihre Kinder mit. Immer im Mai gibt es in der Stadt Konzerte, Ausstellungen und Picknicks im Park.

Auf der Suche nach einem neuen Zuhause

2011 ist die Disko Zwischenfall in Bochum einem Brand zum Opfer gefallen, weswegen sich die Szene in den nur wenige Kilometer entfernten Bahnhof Langendreer verlagert hat. Klaus Märkert legt dort immer noch auf. "Ich bin froh, dass es die Hard-Core-Grufties von früher so nicht mehr gibt. Dann brauche ich nicht immer nur The Cure und Sisters of Mercy spielen." Denn auch die Musik der schwarzen Szene im Ruhrgebiet hat sich verändert, aber es gibt sie noch.

Über dieses Thema haben wir auch am 11.03.2025 im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Duisburg, 19.30 Uhr.