Tradition in Bewegung: Wie eine Frau lettischen Volkstanz nach Münster holt

Münster | Heimatliebe

Stand: 22.02.2024, 16:34 Uhr

Lettische Tradition mitten im Münsterland: Kristine Kemper unterrichtet eine lettische Kindertanzgruppe. Für ihr Training fahren manche Eltern ihre Kinder über 100 Kilometer weit. Ein Besuch.

Von Josefine Upel, Brigitte Lieb (Multimedia)

"Kopf nach links kreisen und nach rechts", erklärt Kristine Kemper und macht die Aufwärmübung vor. Die rund 20 Kinder und Jugendlichen im Kreis um sie herum folgen dem Beispiel der 34-Jährigen. Sie tragen unterschiedliche Trachten mit weißen Hemden, blau-roten gestreiften Röcken, blauen Hosen oder Kleidern, an ihren Füßen beige Schläppchen. Alles Erinnerungen an die baltischen Völker, die damals ihre Kleidung selbst gemacht haben. Im Hintergrund läuft leise lettische Musik.

Vor sechs Jahren hat Kemper in Münster die lettische Kindertanzgruppe "Rudzupuķe" gegründet. Deutsch übersetzt bedeutet der Name Kornblume. Wie viele Menschen es mit lettischem Migrationshintergrund in NRW gibt, ist statistisch nicht erfasst. Die Tanzgruppe von Kemper ist jedenfalls einzigartig in Deutschland. So einzigartig, dass einige Eltern sogar über hundert Kilometer weit fahren, um ihre Kinder zum wöchentlichen Training zu bringen. Kemper ist es wichtig, lettische Traditionen weiterzugeben. Die Tanzgruppe ist eine Herzensangelegenheit samt Gute-Laune-Garantie.

Was ist das Schöne an dem Training mit den Kindern? 00:18 Min. Verfügbar bis 22.02.2026

Es wird mucksmäuschenstill im Trainingsraum. Die Kinder sitzen paarweise auf dem Boden. Ihre Knie sind angezogen und mit den Armen umschlungen, die Köpfe geduckt, während sie konzentriert verharren. Musik erklingt, sie öffnen die Arme und tippen mit den Fingen und den Zehenspitzen auf den Boden. Es folgt eine Choreografie, die geprägt ist von präziser Fußarbeit, Sprüngen, Drehungen und Kreis- und Linienformationen. Ihre Trainerin beobachtet sie genau, gibt Anweisungen auf Deutsch und Lettisch, summt und wippt mit der Musik mit.

Die Tanzgruppe ist zu einer kleinen Familie zusammengewachsen | Bildquelle: WDR / Brigitte Lieb

Durchs Leben getanzt: Zwischen Lettland und Deutschland

Tanzen spielt schon immer eine große Rolle im Leben der Lettin. Mit etwa zwei Jahren hat sie angefangen zu tanzen und alle möglichen Tanzarten ausprobiert. Angekommen ist sie beim lettischen Volkstanz.

Warum sich Kristine Kemper dem lettischen Tanz verschrieben hat 00:20 Min. Verfügbar bis 22.02.2026

Kemper ist 1994 mit ihrer Familie nach Deutschland gekommen. Als Jugendliche will sie unbedingt zurück nach Lettland, überzeugt ihre Familie, wieder dorthin zu ziehen und macht dort ihren Schulabschluss. 2010 geht sie wieder zurück nach Deutschland. Sie lernt ihren späteren Ehemann kennen, arbeitet mittlerweile in einem IT-Unternehmen und fühlt sich im Münsterland zu Hause. "Natürlich vermisse ich immer wieder Lettland und die Familie, aber mittlerweile hat man Flugzeuge, innerhalb von zwei Stunden ist man hier oder da und kann sich immer wieder besuchen." Wenn Kemper über ihre Heimat spricht, merkt man, dass die Verbindung zwischen ihr und ihrem Geburtsland immer eine Besondere bleiben wird.

Wochenlange Handarbeit: Mit Herz und Seele dabei

Berührungspunkte zur lettischen Kultur hat die 34-Jährige in Deutschland auch beim Sticken und Stricken gefunden. Manche Hüte einer anderen Tanzgruppe hat Kemper selbst mit traditionellen Mustern bestickt - eine Arbeit, die für einen Hut alleine wochenlang dauert. "Das hat für mich etwas mit nationalem Stolz zu tun, da kriege ich auch direkt Gänsehaut." Ob sie sich mehr als Lettin oder als Deutsche wahrnimmt? "Ich bin 50 Prozent Lettin und 50 Prozent Deutsche. Das liebe ich aber auch an mir, ich mag die Kombination aus beidem."

Über dieses Thema berichten wir am 22.02.2024 auch im WDR-Fernsehen: Lokalzeit Münsterland, 19.30 Uhr.