"Fräulein Rüssmann will Tierärztin werden." So stand es in ihrem Abiturzeugnis 1941. "Ich wusste immer was ich wollte. Aber es war nicht einfach", sagt Gilberte Renoldi, wie sie seit ihrer Heirat heißt. Damals waren die Professoren der Justus-Liebig-Universität in Gießen gegen eine Frau, die Veterinärmedizin studieren wollte. Nur dem Dekan hat sie es zu verdanken, dass sie doch angenommen wird. Bis heute ist sie ihm dankbar.
Studium während des 2. Weltkrieges
Am 5. August 1923 wird sie in Aachen geboren. Der Vater ist Oberingenieur, die Mutter kommt aus Belgien, aus einer Journalistenfamilie. Ein zehn Jahre älterer Bruder ist schon da. Mitten im Krieg macht sie ihr Abitur und geht dann nach Gießen zum Studium. Die Justus-Liebig-Universität ist schon damals die erste Adresse für Veterinärmedizin. Die Bedingungen waren hart. Sie saßen in ungeheizten Hörsälen, die Fenster waren durch Bombenangriffe zerbrochen. Aber man musste seine Prüfungen ablegen, wer das nicht machte wurde in eine Munitionsfabrik geschickt.
Renoldi studiert unter anderem bei Bernhard Grzimek. Er wird später berühmt durch seine Tiersendungen im Fernsehen. Als Professor ist er aber wohl eher eine Enttäuschung. "Er war nicht nett", blickt Renoldi zurück. "Ich wollte meinen Doktor bei ihm machen, aber das klappte gar nicht."
Sie macht ihren Doktor trotz aller Schwierigkeiten, promoviert über Erkrankungen beim Pferd und beendet ihr Studium. Mit dem Fahrrad fährt sie zurück in das vom Krieg zerstörte Aachen. Ihr Bruder ist im Krieg gefallen, ein großer Verlust für sie, der sie noch heute trauern lässt. Aber beide Eltern haben überlebt und helfen ihr beim Start als Tierärztin. Der ist kompliziert, denn die Ärztekammer macht Probleme. Erst als ein älterer Kollege, der in Rente geht, sie empfiehlt, kann sie sich in dessen Praxis niederlassen.
Veterinärmedizin war voller Herausforderungen
Die Behandlung ihrer Patienten ist am Anfang schwierig. Es gibt weder Antibiotika noch Impfstoffe zum Beispiel gegen Tollwut. Aber Renoldi ist erfinderisch. Den Hund eines Getränkehändlers kann sie zum Beispiel mit Bier kurieren. Seine Krämpfe im zentralen Nervensystem lassen dadurch nach. Eine Ziege lässt sie sogar kurzerhand im nahe gelegenen Krankenhaus röntgen und bei Augenkrankheiten fragt sie Augenärzte um Rat. Sie hat gut zu tun. Sogar der frühere Aachener Dompropst, Hans Müllejans bringt seine Katze zu ihr.
Renoldi hatte zeitweise 15 Hunde
Sie heiratet den Steuerberater Rainer Renoldi und bekommt ihre Tochter Dorette. Die muss häufig mit zu den Hausbesuchen. Das Engagement für ihre Patienten steht bei Gilberte Renoldi ein Leben lang im Vordergrund. Auch privat hat sie immer Hunde, manchmal sind es bis zu 15 verschiedene. Heute hat sie noch einen Hund. Leonie, ein Cairn-Terrier. Er ist 15 Jahre alt. Mit ihm geht die Tierärztin jeden Tag eine halbe Stunde spazieren, bei jedem Wetter. 30 Jahre hat sie am Ballett-Training teilgenommen und bis vor kurzem noch jeden Morgen Ballettübungen gemacht.
"Man muss es nur wollen", sagt Gilberte Renoldi. Ihre Cousine, die Ballett-Lehrerin war, habe immer gesagt, "wenn man es nicht will, bewegt sich nicht der kleine Finger." Wenn Gilberte Renoldi heute auf die 100 Jahre zurück blickt, war vor allem eins das Schönste für sie: "den Beruf ausüben zu können, den ich immer wollte."
Über das Thema haben wir am 03.08.2023 auch im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Aachen, 19.30 Uhr.