Mit Meeresromantik hat die Zuchtanlage von Aixponic in einem Aachener Industriegebiet nicht viel zu tun. Keine Spur von Strandidylle, Meeresrauschen, Tang, Muscheln oder Möwen. Rund 4.000 Mini-Doraden schwimmen stattdessen in weißen Überseecontainern, die mit grünen Riesenwassertanks gefüllt sind. Vor und in den Containern steht höchstmoderne Technik. Sie kontrolliert die wichtigen pH-, Nitrat- und Sauerstoff-Werte im künstlichen Meerwasser. Dazu kippt Ingenieur Johannes Pasch täglich tütenweise echtes Meersalz in die blauen Wassertanks.
Die Fischzucht des jungen Unternehmens Aixponic in Aachen ist deutschlandweit einzigartig. Das liegt daran, dass hier die sogenannte Aquaponik für Salzwasser weiter entwickelt wurde. Bislang wird sie in Deutschland nur für im Süßwasser lebende Tiere und Pflanzen eingesetzt.
Was ist eigentlich Aquaponik?
Unter Aquaponik versteht man ein Kreislaufsystem mit dem verschiedene Nahrungsmittel in Innenräumen produziert werden können. Dafür werden Beete und Fischtanks miteinander verbunden. Die Ausscheidungen der Fische sind Nähstoffe für die Gemüsepflanzen, die wiederum das Wasser für den Fischtank säubern.
Sieben Tonnen Doraden und zwei Tonnen Meeresspargel sollen mit dieser Technik pro Jahr gezüchtet werden. Und das auf einer Fläche von 200 Quadratmetern. "Leitungswasser plus Meersalz ist sogar viel gesünder als das eigentliche Meerwasser", sagt Johannes Pasch. Und das seien nicht die einzigen Vorteile.
Mit einem Gewicht von nur zweieinhalb Gramm werden die Jungfische in den Becken ausgesetzt. Große Aufregung entsteht in den Tanks vor allem dann, wenn die Tiere gefüttert werden. Bis zu 500 Gramm schwer sollen sie werden, bevor sie künftig als "Öcher Dorade" auf die Teller von Restaurants kommen.
Meeresspargel aus Vertical Farming
"Das ist eine Pilotanlage. Wir haben mit Privatkrediten und Geldgebern eine sechsstellige Summe investiert. Jetzt suchen wir Investoren, damit wir die Idee auch in anderen Städten in NRW wie Köln verwirklichen können", sagt Peter Becker, der ebenfalls Gründungsmitglied ist. "Wir haben im Grunde aus einem Hobby eine Berufung gemacht", sagt Becker. "Wir wollen damit die Meere entlasten und weg von den langen Transportwegen für Fisch-Importe aus Israel oder China."
Im Gegensatz zum Fisch, mussten sich Becker und Pasch für den Meeresspargel noch etwas mehr einfallen lassen. Normalerweise wächst der in der Meeresbrandung, beeinflusst durch Ebbe und Flut. In Aachen sorgen Wasserpumpen für künstliche Gezeiten. Auch Sonnenauf- und untergang werden künstlich simuliert. Dann schimmert der Spargel-Container rosa und sorgt doch für ein wenig Küstenromantik. Angelegt sind die Beete im Vertical Farming-Stil.
Was ist eigentlich Vertical Farming?
Vertical Farming ist ein Begriff aus der urbanen Landwirtschaft. Er bezeichnet eine Anbauform bei der in Gebäuden auf mehreren übereinander gelagerten Regalebenen das ganze Jahr Obst, Gemüse und beispielsweise Algen angebaut werden.
"Spargel-Chefin" bei Aixponic ist Thurid Roth. Die Wissenschaftlerin beobachtet das Wachstum des salzigen Gemüses. Es stört sie nicht, dass sie bei der Arbeit keine echte Sonne oder Tageslicht zu sehen bekommt.
"Natürlich ist es schön, wenn das Gemüse in der Natur wächst. Aber es ist auch schön, wie man mit sehr, sehr wenig Ressourcen so viel herstellen kann", sagt sie. Im Sommer soll der Verkauf an Privatkunden und Restaurants beginnen.
Über dieses Thema berichteten wir auch im WDR-Fernsehen am 07.03.2023: Lokalzeit aus Aachen, 19.30 Uhr.