Er steht auf der Wiese gleich hinter dem Pfarrheim, der Stolz der Dörfergemeinschaft am Thürne e.V., einem Zusammenschluss aus sieben Eifeldörfern mit 188 Mitgliedern. Ihr Vorsitzender Rainer Hilberath klopft stolz auf die äußere Hülle des neuen Dorfbackofens, genannt "Backes". 800 Stunden gemeinschaftliche Arbeit stecken in diesem Projekt. Mit ihm soll auch ein Stück weit das Leben zurück nach Bad Münstereifel-Houverath kommen.
Hotspot Backofen in der Eifel
Denn die Infrastruktur auf dem Land bröckelt. Hilberaths Stimme wird ernst als er davon spricht, dass in den letzten Jahren der Lebensmittelladen geschlossen hat, die Arztpraxis und die Kneipe folgten kurz darauf. Der 67-Jährige nennt es die schwarze Serie.
Houverath ist damit nicht alleine. Hier in der Eifel teilen viele Gemeinden das gleiche Schicksal. "Wir haben uns einen neuen Mittelpunkt im Dorf gewünscht, an dem alte und junge Menschen, Zugezogene und Alteingesessene sich treffen und Zeit miteinander verbringen können. So entstand die Idee einen Dorfbackofen zu bauen", sagt Hilberath.
Kreative Brotrezepte
Im Hintergrund knistert das Feuer im Ofen. Mehr als eine Tonne wiegt der Aufbau aus roten Backsteinen, ist etwa 1,8 Meter hoch und 1,6 Meter breit. 28 Brote oder 15 Pizzen können darin gleichzeitig gebacken werden. Die Steine stammen aus abgerissenen Gebäuden und wurden einzeln mit Drahtbürste und Spachtel gereinigt, etwa 3500 Stück. "Das haben unsere Trümmerfrauen übernommen," sagt Hilberath scherzhaft und lacht. Wenn das Thermometer 500 Grad zeigt, kann gebacken werden, etwa die Hälfte ist gerade erreicht.
Zeit für die Backbegeisterten im Pfarrheim nebenan den Teig zu kneten. Traditionell war das Brotteig. Heute gibt es auch Pizza und Süßspeisen. Jeder der mag, darf sich mit seinen eigenen Rezepten verwirklichen. Egal ob man Mitglied im Verein ist, oder nicht. Und die Rezepte sind durchaus kreativ. Yvonne Hillbrandt ist Wildkräuterexpertin. Bei ihr landen Zutaten im Brot, um die viele andere einen großen Bogen machen, wie Brennnesseln. "Beherzt zupacken und nur in Richtung der Brennhaare streichen dann sind die Pflanzen harmlos", versichert die 67-Jährige, während sie schwungvoll gemahlene Lindenblätter in den Teig gibt.
Eine Stunde muss ihr Brot mit vielen anderen gemeinsam in den Ofen. Danach warten sie, bis es endlich abgekühlt ist. Nach dem Backen wird gemeinsam gegessen. Das gehört dazu. Das Messer schneidet durch die knackige Kruste, der Geruch von frischem Brot breitet sich aus. Schnell werden ein paar Scheiben der ungewöhnlichen Kräuter-Kombi von Hillbrandt verteilt. Beim ersten Bissen schaut sie in viele zufriedene Gesichter.
Der Backofen wird zum Zentrum des Dorfes
Rainer Hilberath macht unterdessen nach mehreren Stücken Pizza eine kurze Pause und wartet lieber auf die letzte Runde für heute: den Puddingstreusel.
Am Backofen öffnet sich für heute das letzte Mal die gusseiserne Klappe. Der Puddingstreusel und die Reihenweckchen dürfen raus. Während der Ofen langsam auskühlt, haben die Dorfbewohner bei Kaffee und Kuchen Zeit für gemeinsame Gespräche.
Der neue Dorfbackofen bedeutet für die Menschen hier mehr als nur frisches Brot, er ist ein neues Stück Gemeinschaft.
Über das Thema haben wir am 20.07.2023 auch im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Aachen, 19.30 Uhr.