Laura Schuster tippt ihr nächstes Ziel in das Navi ihres E-Autos: das 371-Seelendorf Siekholz. Dann fährt sie los. Vom Innovationszentrum im lippischen Dörentrup sind es gut 20 Minuten Fahrt durch das Lipperland. Felder und Höfe ziehen vorbei. Und immer wieder kleine idyllische Dörfer. Die gehören fest zum Landschaftsbild und zum Arbeitsplatz von Dorfcoach Laura Schuster.
Die 31-Jährige soll den ländlichen Raum stärken, denn immer mehr Dörfer sind vom "Aussterben" bedroht, kämpfen um jeden Einwohner. Dabei bietet das Leben auf dem Land auch viele Chancen – für junge Familien zum Beispiel, für die es in den Städten zu teuer geworden ist. Schuster ist als Dorfcoach Teil des sogenannten Zukunftskonzeptes Lippe 2025, das die Region unter anderem in den Bereichen Mobilität und Digitalisierung zukunftsfähig machen soll. Die 31-Jährige beschreibt ihren Job so: Sie "unterstützt die aktiven Engagierten auf den Dörfern bei wirklich individuellen Problemen oder Fragen, die sich dort stellen", berät bei Fördermitteln und vernetzt die Dörfer untereinander. Wichtig ist ihr dabei vor allem, mit den Menschen auf Augenhöhe zu sprechen. Wenn sie nicht unterwegs ist, dann plant sie, treibt Fördermittel auf und stellt Kontakte her. Zwischen den Dörfern und zur Kreisverwaltung.
Am Dorfgemeinschaftshaus in Siekholz angekommen, warten schon um die 25 Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner auf Schuster. Die Stimmung ist ausgelassen. Es wird Bier und Limonade getrunken. Kinder toben im angrenzenden Skulpturenpark. Der 43-Jährige Falk Hötger begrüßt Schuster mit einer Umarmung und den Worten: "Schön, dass du den Weg zu uns wiedergefunden hast."
Eine Dorfkonferenz hat den Impuls gegeben
Vor einigen Wochen moderierte Schuster eine Dorfkonferenz in Siekholz. Da stimmten die Siekholzer über Ideen ab, die ihr Dorf schöner machen sollen. Schuster hat alle Ideen, über die abgestimmt wurde, mitgebracht – auf großen Postern, mit Klebepunkten, die jeweils eine Stimme zählen. Die Idee, die am meisten Stimmen erhielt, wird jetzt mit 5.000 Euro bezuschusst. Es soll ein naturnahes Dorf entstehen. Mit Blumenwiesen, Bienenhotels und alten lippischen Obstbäumen.
Aber auch andere Ideen stehen auf der To-Do-Liste: die Beleuchtung am Brunnenhaus installieren, einen Grillplatz bauen oder eine Fahrradreparaturstation einrichten.
Tatendrang nach der Dorfkonferenz
Anpacken müssen die Siekholzer jetzt selbst, aber sie sind motiviert, planen schon den Grillplatz: "Wie wollen wir das machen mit der Feuerstelle? Mauert man das?" fragt Falk Hötger die anderen Dorfbewohner. Der gebürtige Siekholzer ist in allen Vereinen im Vorstand und weiß: Dinge im Dorf voranzubringen, geht nur, wenn alle mit anpacken. "Wir planen ständig", sagt er. Den Anstoß für die Ideen hat Dorfcoach Schuster gegeben. Und sie behält den Überblick über diese Ideen – im Hintergrund, wenn sie im Innovationszentrum in ihrem Büro sitzt.
Für die Gewinneridee der Dorfkonferenz hat sie kurzerhand eine Expertin für Blühwiesen aufgetan. Die hilft den Siekholzern jetzt ehrenamtlich und erklärt, welche Samenmischungen gut geeignet wären und wie man die Blühwiesen am besten anlegt.
Innovationszentrum Dörentrup
Das Innovationszentrum Dörentrup in Wendlinghausen ist Teil der lippischen und ostwestfälischen Innovationsstrategie. Neben den Unterstützungsangeboten bei Veranstaltungen, Workshops und Vereinsaktivitäten bringt der Dorfcoach auch einen Fördertopf für kleine Maßnahmen bis 500 Euro mit, um schnell und gezielt Projekte umsetzen zu können. Den Antrag für diese Förderung und weitere Informationen zum gibt es auf der Homepage des Innovationszentrums Dörentrup.
"Ich bin selbst ein kleines Dorfkind!"
Schuster ist in der Region aufgewachsen und sogar ehrenamtlich Ortsbürgermeisterin in einem anderen Dorf in Lippe. Sie mag es, "auf dem Dorf zu sein". Nur einmal zum Studieren sei sie rausgekommen, habe in Oldenburg gelebt, erzählt sie. Aber dann sei sie schnell wieder in ihre Heimat Lippe zurückgekehrt.
Die Siekholzerinnen und Siekholzer sind dankbar, dass es mit Schuster so unkompliziert läuft. Und auch dafür, dass Schuster sie als "Dorfkind" so gut versteht – das kommt gut an.
Vor dem Dorfgemeinschaftshaus nimmt Christiane Persson ihre Enkelin auf dem Arm und strahlt. Sie ist zugezogen und ganz begeistert vom ehrenamtlichen Engagement ihrer Nachbarn. Und "dass jetzt auch noch jemand kommt und sowas in Gang bringt" findet sie gerade für die Kinder "super". Das sieht auch Falk Hötger mit Blick auf Schusters Arbeit so. Schließlich würden die Kinder ja auch irgendwann in die "Führungsriege der Vereine aufsteigen".
Für Schuster ist klar: "Das Ehrenamt braucht auch das Hauptamt" und deswegen wird sie als Dorfcoach noch einige Dorfkonferenzen ins Leben rufen, Fördergelder auftreiben und mit dem E-Auto in die 159 anderen Dörfer fahren.
Über dieses Thema berichteten wir auch in der Lokalzeit OWL am 04.10.2023