Es sieht aus, als würde sie ertrinken. Ein tellergroßer, schwerer Stein drückt die junge Frau im weißen Top unter Wasser. Ihre Augen sind panisch aufgerissen. Helmut Heutz steht auf einer Klappleiter daneben und hält mit seiner Spiegelreflexkamera drauf. Der 72-Jährige nickt zufrieden. Das Modell im Planschbecken hat die Anweisungen, die er ihr vor wenigen Minuten gegeben hat, gut umgesetzt.
Psychische Erkrankung im Fokus
Das Foto der Frau im Planschbecken ist Teil von Heutz neustem Projekt: einer Porträtserie zum Thema Borderline. Rund drei Prozent aller Menschen erkranken im Laufe ihres Lebens an dieser Form der Persönlichkeitsstörung. Häufig verletzen sie sich selbst oder versuchen, sich das Leben zu nehmen. Wie genau das Krankheitsbild aussieht und was in den Betroffenen vorgeht, ist für viele nicht leicht verständlich.
Mit seinen Fotos will Heutz das ändern. Dafür lässt er sich von Betroffenen beschreiben, wie sie sich fühlen. Mit Darstellern setzt er das Beschriebene in fotografische Szenen um. Die Frau im Planschbecken, die keine Luft bekommt, ist eins von rund 30 Motiven, die er gemeinsam mit anderen Fotografen aus der Region bis jetzt umgesetzt hat.
Fotos aus der Porträtserie "Borderline"
Mit seinen Bildern möchte Hobbyfotograf Helmut Heutz auf die Persönlichkeitsstörung Borderline aufmerksam machen. Dafür hat er zusammen mit anderen Fotografen die Porträtserie "Borderline" erstellt.
Jedes Foto der Porträtserie trägt einen eigenen Titel. Dieses Bild nennt Helmut Heutz "Hilfe, ich ertrinke!".
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Heutz wusste zuvor selbst nur wenig über die Erkrankung. Nach vielen Gesprächen mit Betroffenen weiß er: "Diese Menschen machen oft die Hölle durch. Wir wollen mit den Porträts auf ihr Leid aufmerksam machen." Dass er sich das Thema Borderline und seine Folgen ausgesucht hat, ist kein Zufall.
Vom Bahnbeamten zum Aktfotografen
Vor über 20 Jahren kauft sich Heutz die erste Kamera. Aus Neugier, wie er heute sagt. Damals arbeitet er noch als Beamter bei der Bahn. In Workshops und Kursen lernt er zuerst, Landschaften oder Blumen zu fotografieren. Aber das reizt ihn nicht.
Er widmet sich komplexeren Themen, bis dahin eine Nische unter den Hobbyfotografen in seinem Umfeld. Mithilfe von Darstellern entwickelte er die ersten Bildideen. Dabei stellte er fest: Je weniger Kleidung, desto besser.
Nackt aus Überzeugung
Nadja Lange ist nicht nur Darstellerin, sondern auch selbst an Borderline erkrankt. Warum sie mitmacht? "Es geht mir um mehr als das Nacktsein. Ich finde die sozialkritischen Themen wichtig und unterstütze Helmut gern." Beim Shooting für das Borderline-Projekt ist die Stimmung entspannt, es wird viel gelacht. "Wir sind eine kleine Familie", so Heutz.
Mit vielen der Laien-Darsteller auf seinen Fotos arbeitet der 72-Jährige seit Jahren zusammen. Ums Geld geht es niemandem. Nach 20 Jahren als Hobbyfotograf hat sich Heutz schon mit vielen Themen beschäftigt: Klimawandel, Atomkraft, Rassismus oder Gewalt gegen Frauen.
Die Orte für seine Fotos sucht er sich in seiner Heimat Erkelenz. Er hat schon auf dem Rübenacker vom Bauern nebenan, an einer still gelegten Bahnstrecke oder einer leerstehenden Fabrik fotografiert. Heutz hat seine Bilder bereits in mehreren Ausstellungen gezeigt. Auch die Porträts zum Thema Borderline werden im Juni in Wassenberg zu sehen sein.
Über dieses Thema haben wir am 18.03.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Aachen, 19.30 Uhr.