Ein mittelalter Mann mit schwarzen Haaren lehnt lächelnd über einer Arbeitsfläche. Am linken Bildrand sind Mehlpackungen gestapelt.

Von Bielefeld bis Bagdad: Essen als Brücke zwischen Kulturen

Bielefeld | Heimatliebe

Stand: 19.02.2025, 07:05 Uhr

Einmal im Monat kommt Rezan Jadaans ganze Familie in Bielefeld zusammen, um für die Nachbarschaft zu backen. Wie das traditionelle Tanoor-Brot aus dem Irak Menschen zusammenbringt, die sich sonst nie kennengelernt hätten.

Von Simon Kaufmann

Etwa 40 Menschen sitzen beim Nachbarschaftstreff an den Holztischen. Ein ständiges Stimmengewirr verschiedener Sprachen. Deutsch, arabisch oder syrisch. Rezan Jadaan sitzt an einem Ende des Tisches und schaut zufrieden auf seinen Teller. Die Speisen darauf sind genauso vielfältig wie die Menschen im Raum. Reis, Salate, Curry und Tanoor-Brot liegen darauf. Das flache Fladenbrot haben der 36-Jährige und seine Familie frisch gebacken. Draußen auf der Terrasse kühlt noch der runde Ofen aus, an dessen Wänden der Teig erhitzt wird. Jeder Bissen ist für Jadaan ein Stück Heimatgefühl. Und das teilt er gern mit den Menschen im Raum.

Interkultureller Nachbarschaftstreff Bielefeld: Für mehr Miteinander

Im Irak hat Jadaans Familie das Tanoor-Brot häufig gebacken. Für Hochzeiten oder Trauerfeiern, teilweise für mehr als 1000 Gäste. Doch dann musste die jesidische Familie 2014 fliehen, als IS-Terroristen die Glaubensgemeinschaft systematisch verfolgten und tausende Anhänger töteten. Schätzungsweise mehr als 100.000 Jesidinnen und Jesiden flohen vor dem Völkermord nach Deutschland. Laut der dem Innenministerium NRWs zugehörigen Hochschule für den öffentlichen Dienst zogen besonders viele in den Raum Bielefeld, Herford und Detmold.

Rezan Jadaan über Erlebnisse auf der Flucht nach Deutschland

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Das gemeinsame Backen im Nachbarschaftstreff hilft Jadaan dabei, die Erinnerung an die Heimat wachzuhalten. Und gleichzeitig für den Austausch zwischen den Kulturen. "Neue Kulturen kennenlernen, neue Sprachen und Gerichte. Man lernt jedes Mal neue Menschen und ihr Essen kennen. Das ist richtig schön", sagt Jadaan, der noch am Vormittag einen ganzen Einkaufswagen Mehl, Hefe und Petersilie für das Brot eingekauft hat.

Warum ein Backofen für neugierige Blicke sorgt

Während der Zubereitung hatten der 36-Jährige und seine Mutter einige neugierige Zuschauer. Denn viele kennen die Art der Zubereitung nicht. Beim Tanoor-Brot werden die Teige erst zu Fladen geformt und dann an die Innenseite des Ofens geklebt. Nach wenigen Minuten sind die Brote bereits fertig. Anschließend wird das Brot in Streifen geschnitten, die mit verschiedenen Dips und Saucen bestrichen werden.

Wie wird Tanoor-Brot gebacken?

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Die Brote kommen gut an. "Es ist wirklich eine ganz große Spezialität. Am besten ist es frisch aus dem Ofen", sagt eine der Teilnehmerinnen, mit einem Stück Brot in der Hand. Noch bevor die anderen Beilagen überhaupt aufgedeckt sind, hat sich jeder schon einen Streifen genommen. Viele haben das Tanoor-Brot hier zum ersten Mal probiert.

Essen aus aller Welt

Einige sind bereits seit Jahren jeden Monat beim Nachbarschaftstreffen dabei. Es ist ein Projekt der Diakonie und einer gemeinnützigen Baugenossenschaft, die auch die Räumlichkeiten stellen. Andere haben sich zum ersten Mal angemeldet. Aber alle packen mit an. Während die Familie Jadaan draußen das Tanoor-Brot backt, entstehen drinnen Salate, ein Kartoffelauflauf, ein Curry und gebratene Champignons.

Eine Gruppe von Menschen in unterschiedlichen Altersstufen sitzen gemeinsam an einem Tisch und essen

Gemeinsam essen, lachen und Brücken bauen, das ist das Wichtigste

Nach etwas mehr als zwei Stunden rücken alle gemeinsam die Tische zu kleinen Sitzgruppen zusammen und decken auf. Dann kommt auch Rezan Jadaan endlich zum Essen. Am Ende des Abends ist von den Speisen kaum noch etwas übrig. Die letzten Reste werden in Tüten und Dosen verpackt und den Teilnehmenden mitgegeben. Das Tanoor-Brot ist allerdings schon längst aufgegessen.

Über dieses Thema haben wir am 10.02.2025 auch im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit OWL, 19:30 Uhr.