Eine junge Frau mit orangener Sicherheitsweste und weißem Sicherheitshelm auf dem Kopf steht auf einer Hebebühne und lächelt in die Kamera

20-Jährige aus Baesweiler ist NRWs beste Dachdeckerin

Städteregion Aachen | Heimatliebe

Stand: 05.11.2024, 14:31 Uhr

Eigentlich wollte sie Medizin studieren. Und wurde dann Dachdeckerin. Marleen Götz aus Baesweiler hat durch Zufall ihren Traumberuf gefunden. Wie die 20-Jährige alle Skeptiker überzeugt hat.

Von Purvi Patel

Marleen Götz zieht sich eine orangefarbene Sicherheitsweste über. Mit einem Handgriff befestigt ihr Kollege den Karabiner an ihrem Rücken an die Hebebühne. Dann wird es laut in der kleinen Wohnsiedlung in Baesweiler. Der schwere Lastwagen startet und hievt Götz in der Hebebühne nach oben. "Jeden Arbeitstag kann ich sehen, was ich mit meinen Händen gemacht und geschaffen habe. Das finde ich so toll an diesem Beruf", erzählt die 20-Jährige, während sie Meter um Meter an Höhe gewinnt.

Am Dach des Einfamilienhauses angekommen, ist Götz in ihrem Element. Eine Schieferplatte hat sich gelöst. Götz holt passende Nägel aus der kleinen Tasche ihres Ledergurts, hämmert und bohrt. "Das Handwerkliche habe ich von meinem Vater. Er macht viel zu Hause selbst. Und immer wenn er eine helfende Hand brauchte, sagte er: 'Marleenchen, komm mal' - und so ist das eine zum anderen gekommen", sagt die Dachdeckerin.

Ein Arbeitstag von Dachdeckerin Marleen Götz

00:26 Min. Verfügbar bis 05.11.2026

Durch ein Praktikum hat Götz ihren Traumberuf gefunden. Eigentlich wollte sie Medizin studieren, nun hat sie sich in einer männerdominierten Branche durchgesetzt. Laut dem Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks haben in diesem Jahr 350 Frauen eine Ausbildung zur Dachdeckerin gestartet. Zwar stieg zuletzt die Anzahl bei den weiblichen Auszubildenden, jedoch liegt der Anteil insgesamt bei nur 4,1 Prozent.

Beste Dachdeckerin in NRW

Eine Stunde später hat Götz den Auftrag abgeschlossen und schmeißt im Betrieb in Baesweiler den Föhn an. Natürlich nicht irgendeinen, sondern ein Spezialgerät, das 500 Grad heiß wird. Götz schneidet eine Folie zurecht und bearbeitet sie mit der Heißluft. Chef Michael Bloch hat schon während dem zweiwöchigen Praktikum von Götz gemerkt, dass sie begabt ist: "Ich kannte Marleen vorher schon, sie kommt ja aus dem Ort. Im Praktikum war sie aber so gut, da hatte ich keine Wahl. Ich habe sie direkt gefragt: Wann möchtest du bei uns anfangen?", sagt Bloch und lacht.

Inzwischen zählt Götz zu den besten Dachdeckerinnen im Land. Im September gewann sie bei den NRW-Landesmeisterschaften der Dachdecker und qualifizierte sich damit für den Bundeswettbewerb in Brandenburg. Acht Stunden Dachdecken und jeweils drei Stunden lang Flachdach- und Fassadenelemente bauen. Bloch ist vom Können seiner Mitarbeiterin überzeugt.

Dachdeckermeister Michael Bloch ist stolz auf seine Mitarbeiterin

00:42 Min. Verfügbar bis 05.11.2026

Götz überzeugt mit ihrer Arbeit

Die 20-Jährige ist nicht die einzige Frau im Betrieb von Bloch. Der Handwerksmeister beschäftigt noch zwei weitere Frauen. Wenn die Dachdeckerinnen unterwegs sind, vor allem mit ihrem vier Meter langen, vollbeladenen Anhänger, guckt der eine oder andere schon mal überrascht, erzählt die Handwerkerin. "Am Anfang hatte ich schon auch Bedenken, wie die Leute reagieren werden. Es gibt ja das typische Bild, dass da ein Dachdecker zum Termin kommt und dann stehen da auf einmal zwei Mädels vor der Tür."

Aber spätestens, wenn sie das Fahrzeug in einem Zug einparkt, seien die Leute beeindruckt. Und so ist es auch beim Dachdecken: Sobald die Kunden das Arbeitsergebnis von Götz und ihren Kolleginnen sehen, ist niemand mehr skeptisch.

An das erste Mal auf dem Dach erinnert sich Marleen Götz noch allzu gut

00:36 Min. Verfügbar bis 05.11.2026

Götz will noch zwei Jahre lang als Gesellin arbeiten und dann ihren Meister machen. Ob sie ihre Entscheidung schon mal bereut hat? "Ich habe wirklich mit mir damals gerungen: Soll ich meinen Kindheitstraum erfüllen und Kinderärztin werden? Aber als ich während des Praktikums in diesem Dachdeckerbetrieb jeden Abend mit einem Grinsen nach Hause gekommen bin, wusste ich: Das ist der richtige Beruf für mich."

Über dieses Thema haben wir auch am 21.10.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Aachen, 19:30 Uhr.