In den Straßen von Bad Münstereifel erinnert kaum noch etwas an die Flutkatastrophe vom Juli 2021. Das Kopfsteinpflaster, das Flussbett und die Mauern sind neu gemacht. Doch wer genauer hinschaut, entdeckt auch heute noch vereinzelt leer stehende Geschäfte. Drinnen: kaputte Böden und Wände. So sah es lange auch bei Josef Mütter aus. Die Flut traf seinen Buchladen schwer.
Flutkatastrophe in Bad Münstereifel: Tage, die alles veränderten
Die extremen Regenfälle zwischen dem 12. und 15. Juli 2021 verwandelten die Erft in Bad Münstereifel zum reißenden Fluss und hinterließ ein Trümmerfeld. Als die Wassermassen kamen, konnte Mütter sich in sein Büro im zweiten Stock retten. Ein Tag später wurde die Zerstörung in seinem Buchladen deutlich. Schlamm und Wasser hatten alles kaputt gemacht.
Die Flut veränderte dabei nicht nur das Leben der Menschen in Bad Münstereifel im Kreis Euskirchen. In NRW und Rheinland-Pfalz wurden unzählige Existenzen zerstört, mehr als 180 Menschen kamen bei der Flutkatastrophe ums Leben.
"Der schlimmste Moment war, als der Bagger kam und den Bücherhaufen in den Container geschaufelt hat. So viele Bücher auf einem Haufen erinnerten mich an noch schlimmere Zeiten in Deutschland", sagt Mütter, als er auf die Fotos der Flut schaut. Während viele andere Geschäfte um ihn herum nach und nach öffnen, bleibt sein Buchladen zu.
Die Sanierung verzögert sich, da das Haus über 500 Jahre alt ist und nicht so einfach wieder aufgebaut werden kann. Von Zuhause aus liefert er Bücher an Stammkunden aus. Sein Motto: "Irgendwie weitermachen."
Bestseller-Autorin als Unterstützung
Als im Sommer dieses Jahres plötzlich die Besteller-Autorin Caroline Wahl ankündigt, eine Lesung in seiner Baustelle zu machen, geht es wieder bergauf. Erstmals sind wieder Gäste in seinem Laden. Den Schwung aus der Lesung will er mitnehmen und endlich aufmachen.
Doch ein Statiker untersucht das Haus und fordert mehr Stahlträger zur Absicherung. Wände, die schon fertig renoviert waren, müssen wieder aufgerissen werden.
"Im ersten Moment dachte ich: So ein Mist! Wie soll das denn jetzt gehen? Ich war stinksauer, ich konnte es nicht verstehen", erinnert sich Mütter. Seine geplante Wiedereröffnung zum wichtigen Weihnachtsgeschäft - erstmal unmöglich. Dann bekommt Mütter das rettende Angebot seines Vermieters.
Er kann zum Übergang in einen anderen Laden nur ein paar Meter weiter einziehen. Zwar ist auch dieser Laden eine Baustelle - Wände und Boden sind nicht verputzt, Toiletten und Beleuchtung gibt es nicht. Doch der 60-Jährige gibt nicht auf und arbeitet Tag und Nacht. Innerhalb von nur vier Wochen macht er aus der Baustelle einen Pop-Up-Buchladen.
Wenn das erste Buch wieder über die Ladentheke geht
Im November ist es endlich so weit: Pünktlich um 11 Uhr öffnete er zum ersten Mal sein Geschäft. "Das ist schon sehr aufregend", sagt er damals und dreht den Schlüssel um. In der ersten Viertelstunde kommt niemand, dann macht ein alter Stammkunde den Anfang: Der Küster der örtlichen Kirchengemeinde. Er hat extra auf die Eröffnung gewartet, um sich bei ihm das neue Buch von Frank Schätzing zu kaufen. "Klasse. Fühlt sich gut an, ein Buch mal wieder live zu verkaufen", sagt er und strahlt.
Auch Mütter ist glücklich. Vor allem den Kontakt zu seinen Kunden hat er vermisst. Endlich kann er nach über drei Jahren neu anfangen. Trotzdem zeigt der ruhige erste Tag auch, welche Herausforderung auf ihn wartet. Für einen guten Neuanfang wird er nicht nur auf seine Stammkunden angewiesen sein.
Über dieses Thema haben wir auch am 20.11.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Bonn, 19.30 Uhr.