Maria Watermann ist früh aufgestanden. Noch vor der ersten Stunde steht die 73-Jährige bereits auf dem Schulhof. Durch ihre weißen, kurzgeschnittene Haare schimmert die tief stehende Morgensonne. Behände zieht sie aus ihrem kleinen Anhänger Wände mit Tierpräparaten hervor, baut Klapptische mit Fellen und kleineren Präparaten zum Anfassen auf. Füchse, Hermeline, Maulwürfe, Eulen - knapp 50 Tierpräparate hat Watermann mitgebracht. Eigentlich könnte die Rentnerin noch gemütlich am Frühstückstisch sitzen. Stattdessen hat sie ihre rollende Waldschule aufgebaut. Warum macht sie das?
Die rollende Waldschule ist eine von über 50 Initiativen in NRW, die vom Landesjagdverband getragen werden. Finanziert von Spenden und unterstützt von Jägerinnen und Jägern fahren die rollenden Waldschulen überall in Nordrhein-Westfalen an Schulen und Kindergärten. Die ausgestopften Tiere werden aber nicht extra geschossen. Ehrenamtliche wie Maria Watermann sammeln die zum Teil sehr wertvollen Präparate aus Nachlässen und von privaten Spendern ein.
Waldschulen: Heimische Tiere zum Anfassen
"Wenn die Schleiereule anfliegt, ist sie so leise, dass man sie wirklich erst im allerletzten Moment hört. Und das liegt an ihren Federn", erklärt Maria Watermann. Inzwischen ist die 73-Jährige umringt von Zweitklässlern, die mit großen Augen auf die ausgestopfte Schleiereule schauen.
"Wir Menschen haben schon ganz oft versucht, den Flügelbau der Eule nachzubauen, damit unsere Flugzeuge leiser werden. Aber bis jetzt hat das noch niemand geschafft." Mit einem Lächeln im Gesicht schaut Watermann den Kindern dabei zu, wie sie ganz vorsichtig die Federn der ausgestopften Eule anfassen.
Der Anfang der Waldschule liegt bereits einige Jahrzehnte zurück. In den 70er-Jahren macht Watermann ihren Jagdschein. Bei gemeinsamen Waldspaziergängen bringt sie damals ihren Kindern alles über die heimische Tier- und Pflanzenwelt bei. Die kleinen Lerneinheiten machen der 73-Jährigen so viel Spaß, dass sie einige Jahre später zum ersten Mal mit einigen Präparaten in die Grundschule in Balve kommt. "Da war meine Waldschule aber noch nicht so cool wie heute", sagt Watermann und lacht.
Watermann hat die Schleiereule wieder zurück zu den anderen Präparaten gelegt und bereits einen anderen Waldbewohner in der Hand. "Wer kann mir denn jetzt sagen, was das hier für ein Tier ist?", fragt sie die Kinder und direkt gehen fünf Finger nach oben. "Ein Hermelin", ruft ein Junge aufgeregt und die ehrenamtliche Waldlehrerin nickt. "Davon gibt es nicht mehr so viele bei uns in den Wäldern, die sind nämlich viel zu viel gejagt worden", erklärt Watermann. In den deutschen Wäldern lebten über 6000 Tierarten, eigentlich im Gleichgewicht. Aber der Mensch habe durch die Zerstörung des Lebensraums vieles durcheinander gebracht, sagt sie.
Die vierfache Mutter hat früher in einem Büro gearbeitet. Seit drei Jahrzehnten engagiert sie sich für die rollende Waldschule. "Ich möchte, dass alle Kinder wissen, wie groß ein Hase wirklich ist, oder will bunt die Federn eines Erpels schimmern. Und dafür stehe ich gerne früh auf."
Über dieses Thema haben wir auch am 29.06.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit am Samstag, 19.30 Uhr.