Selbstbewusst Stottern: So macht dieser Altenpfleger anderen Mut

Landkreis Heinsberg | Füreinander

Stand: 24.02.2025, 12:49 Uhr

Robbin Nilles sitzt draußen in einem Café in Übach-Palenberg. Trotz kühler Temperaturen trägt er nur eine dünne Jacke. Eine Kellnerin kommt zu ihm an den Tisch und fragt, was er bestellen möchte. Sein Gesicht verkrampft, er kneift seine Augen zusammen, Sekunden vergehen. Dann kommen die Wörter über seine Lippen. "Einen Ca...a...a...ppuccino bitte", sagt er. Nilles ist 30 Jahre alt und hat eine stark ausgeprägte Form des Stotterns.

Stottern: Wenn die Worte steckenbleiben

Damit ist er nicht allein. Etwa ein Prozent aller Menschen weltweit stottert. In Deutschland sind das nach Angaben der Bundesvereinigung Stottern und Selbsthilfe e.V. etwa 800.000 Menschen. Wer stottert, weiß genau, was er sagen möchte. Jedoch fällt es der Person schwer, die Gedanken störungsfrei auszusprechen. Die Ursachen sind bis heute nicht vollständig geklärt. Eine Mischung aus genetischer Veranlagung und neurologischen Faktoren spielt eine Rolle. Intelligenz, der Charakter oder die Herkunft haben keinen Einfluss.

Der Cappuccino steht inzwischen vor Nilles. "Klar gibt es unangenehme Situationen", sagt der 30-Jährige. "Ich bleibe hängen oder habe eine Blockade. Aber wenn die Leute mich ausreden lassen, dann wissen sie auch, was ich meine." Nicht jeder habe jedoch die Geduld, ihn aussprechen zu lassen. Manche würden ihm ins Wort fallen und seine Sätze für ihn beenden. Solche Situationen sind ziemlich frustrierend, meint der Niederländer, der seit vielen Jahren in NRW lebt. "Ich weiß ja, was ich sagen will."

Oft beginnt Stottern im Alter zwischen zwei und sechs Jahren. Bei den meisten Kindern legt es sich wieder von allein. Bei Nilles nicht. Unzählige Therapien hat er seitdem gemacht. Sie können helfen, den Umgang mit dem Sprechen zu erleichtern und Begleitsymptome wie unkontrollierte Grimassen zu mildern. Eine vollständige Heilung im Erwachsenenalter ist selten, heißt es von der Bundesvereinigung Stottern und Selbsthilfe e.V.

Job schenkt Robbin Selbstbewusstsein

Nilles hat Techniken gelernt, die ihm im Alltag helfen. "Manchmal sage ich das Wort sehr langsam, manchmal stoppe ich auch und fange das Wort neu an", erklärt er. Das Wichtigste ist aber für ihn: Er hat sein Stottern inzwischen akzeptiert und kämpft nicht mehr dagegen an. Dabei hat ihm auch sein Job geholfen. Seit sechs Jahren arbeitet Nilles als Altenpfleger.

Nilles legt bei einem Heimbewohner die Blutdruckmanschette am Oberarm an. Routiniert pumpt er das Gerät auf und liest den Wert ab. "Blutdruck ist bei 118 zu 73, alles im Grünen Bereich", sagt Nilles. Zusammen plaudern sie noch ein bisschen. Ein kleiner Witz, ein Lachen. Hier fühlt sich Nilles gebraucht - und so akzeptiert, wie er ist. "Hier versteht man sich auch ohne viele Worte", sagt er und lächelt.

Stottern als Behinderung: Welche Rechte gibt es?

Stottern gilt offiziell als Behinderung. Nur die wenigsten Betroffenen haben aber einen entsprechenden Ausweis. Viele der Stotterer würden laut der Bundesvereinigung Stottern und Selbsthilfe e.V. nicht in Erwägung ziehen, einen Ausweis zu beantragen. Zudem gibt es einen Nachteilsausgleich, zum Beispiel bei Prüfungen oder Bewerbungen. Nilles hat diesen bisher nicht in Anspruch genommen.

Der 30-Jährige will sich und sein Stottern nicht verstecken. Bei manchen Aufgaben im Berufsalltag brauche Nilles zwar mehr Zeit beim Sprechen, das sieht er aber gelassen: "Pflege ist ein Job, der gebraucht wird. Es ist egal, ob man stottert oder nicht", sagt Nilles. "Und was andere Leute von mir denken, ist mir eh egal."

Über dieses Thema berichten wir auch am 25.02.2025 im WDR Fernsehen: Lokalzeit aus Aachen, 19.30 Uhr.