Patrizia Glück geht über den Friedhof in Wülfrath. Die Sonne scheint an diesem frischen Herbsttag, es ist ganz still, nur Vogelgezwitscher ist zu hören. Glück kann hier ihren Gedanken nachgehen. "Bei so einem Kind, das nie leben durfte, trauert man um die Zukunft, die es nie geben wird", sagt die 39-Jährige. "Das ist eine ganz andere Trauer, als wenn man um jemanden trauert, der ein langes Leben hatte. Dann trauert man um die gemeinsame Vergangenheit." Die Hebamme ist Mutter von fünf Kindern, zwei davon sind Sternenkinder.
Sternenkinder, das sind Kinder, die vor, während oder kurz nach der Geburt sterben. Im Jahr 2022 wurden laut Statistischem Bundesamt 3.247 Kinder tot geboren. Damit gab es unter 1.000 Geburten in Deutschland 4,4 Totgeburten. In der Statistik werden nur Kinder erfasst, die nach der 24. Schwangerschaftswoche geboren werden oder bei der Geburt über 500 Gramm wiegen. Schwangerschaften, die in einem früheren Stadium durch eine Fehlgeburt enden, werden hier nicht mitgezählt.
Verlust eines Kindes: Thema aus der Tabuzone holen
In ihrem Beruf als Hebamme begleitet Glück häufig Familien, die wie sie selbst einen solchen Verlust verarbeiten müssen. Ein Verlust, der für die Betroffenen oft einen tiefen Einschnitt im Leben bedeutet. Darüber zu reden, fällt ihnen meistens schwer - auch, weil in der Gesellschaft das Thema gemieden wird. "Ich möchte das Thema aus der Tabuzone holen", sagt Glück.
- Ein besonderes Andenken: Ehrenamtlicher Fotograf macht Fotos von Sternenkindern
Für ihre Mission hat sie sich Unterstützung gesucht. Zusammen mit Beatrix Kraemer und Gabi Sieberg möchte sie Familien in ihrer Trauer helfen. Kraemer leitet eine Kindertagesstätte und ist Trauerbegleiterin für Kinder und Familien. Sieberg ist auch Trauerbegleiterin und Großmutter eines Sternenkindes. Zu dritt haben sie eine Selbsthilfegruppe in Wülfrath gegründet, das Sternenkinder Café.
Im Cornelius-Haus der Kirchengemeinde bereiten die drei alles für das erste Treffen im November vor. Kraemer packt aus einer Tasche verschiedene Figuren, Kerzen und Erinnerungsstücke. "Wir hoffen, dass wir vielen Menschen, sowohl Frauen als auch Männern, einen Anlaufpunkt geben können, wo sie sich in ihrer Trauer aufgehoben fühlen", sagt Kraemer. Das Sternenkinder-Café soll einen geschützten Raum für gemeinsame Trauer und Austausch bieten.
Der Plan für die Zukunft: Ein Trauerort
Das reicht den drei Frauen aber noch nicht. Sie haben einen Traum. Sie möchten, dass Eltern auch in Wülfrath die Möglichkeit haben, ihre Sternenkinder auf dem Friedhof zu beerdigen. Noch stecken diese Pläne im Anfangsstadium.
Mit dem Sternenkinder-Café gehen die drei Frauen nun den ersten Schritt, um anderen dabei zu helfen, mit dem Verlust umzugehen. Glück als Mutter und Sieberg als Oma haben aus ihrer eigenen Trauer wieder ganz ins Leben zurückgefunden. "Wir werden das kleine Wesen nie sehen, aber es ist irgendwo immer mit dabei", sagt Sieberg.
Über dieses Thema haben wir auch am 30.10.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Bergisches Land, 19.30 Uhr