"Wir brauchen 400 Gramm Mehl. Kannst du mir das Mehl rübergeben?" Die 92-jährige Liesbeth Bohms steht in der Küche des Johannes von Gott Hauses in Neuss und rührt gemeinsam mit Ecrin Cakmak den Teig für die Plätzchen an. "Hier ist das Mehl. Darf ich dann gleich den Zucker abwiegen?", fragt die 12-jährige Ecrin. "Na klar, davon brauchen wir 200 Gramm", antwortet Bohms lächelnd. Sie schaltet die Küchenwaage ein und lässt Ecrin den Zucker abwiegen. Die beiden sind ein eingespieltes Team, obwohl sie sich erst an diesem Tag kennengelernt haben.
Das Backduo Liesbeth Bohms und Ecrin Cakmak hat sich durch eine gemeinsame Backaktion des Seniorenheims Johannes von Gott Haus und des interkulturellen Jugendzentrums InKult in Neuss gefunden. Im Jugendzentrum treffen sich Kinder und Jugendliche, um gemeinsam zu spielen, zu lernen oder sich auszutauschen. So wie zum Beispiel auch im Jugendzentrum KAMP in Bielefeld, das wohl älteste in Deutschland.
Neuss: Wenn Jugendzentrum und Altenheim kooperieren
"Im Jugendtreff sind sozial schwächere Kinder, Kinder mit Migrationshintergrund, mit Einschränkungen, Jungen, Mädchen oder Diverse willkommen", erklärt Ehrenamtler Mirac Göl. Er betreut die Backaktion.
Bohms hat sich an den großen Tisch in der Küche gesetzt und wartet mit den anderen sechs Kindern und sechs Senioren auf Ecrin, die den Teig knetet. "Jetzt können die Plätzchen ausgestochen werden", ruft Ecrin und bringt den Teig zum Tisch. Sie verteilt ihn und legt ein Stück vor Bohms. Gemeinsam rollen sie den Teig aus und stechen Herzen, Tannenbäume, Glocken und Rentiere aus. Dann kommen die Kekse in den Ofen.
Neue Erinnerungen gegen die Einsamkeit
"Das Backen heute ist eine Win-win-Situation für die Senioren und die Kinder. Viele Kinder haben keine Großeltern mehr oder keinen, der mit ihnen zu Hause backt. Die Senioren haben eine Abwechslung zum Alltag und fühlen sich nicht mehr so einsam", sagt Ehrenamtler Göl.
Laut einer Studie des Robert-Koch-Instituts fühlen sich 19 Prozent der über 65-Jährigen einsam. Bei Frauen ab 80 Jahren steigt der Anteil auf 29 Prozent. "Ich bin sehr froh, dass die Kinder heute hier sind, weil ich ganz alleine bin. Hier wird man abgelenkt von den Gedanken, die dann kommen", erklärt Bohms. Mittlerweile sind die ersten Plätzchen fertig und können verziert werden.
Bohms erinnert sich an die Vorweihnachtszeit, als sie noch jung war. "Damals im Krieg hatten wir nicht so viele Backzutaten wie heute, schon gar nicht diese ganzen bunten Streusel. Wir mussten Sirup aus Zuckerrüben gewinnen, damit wir überhaupt was Süßes hatten", erklärt Bohms. Die Kinder schauen sie mit weit geöffneten Augen an. Dann lachen sie gemeinsam und probieren die frisch verzierten Plätzchen.
Über dieses Thema haben wir auch am 18.12.2024 im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit Düsseldorf, 19.30 Uhr.