Vier junge Männer stehen um einen Kickertisch und spielen Tischfußball.

Mehr als Kicker und Kartenspiel: Jugendliche erobern ihre Innenstadt

Bottrop | Ehrenamt

Stand: 02.03.2024, 09:32 Uhr

Leerstand, Tristesse, Langeweile - Bottrop kämpft mit den Problemen vieler Innenstädte im Ruhrgebiet. Eine Gruppe junger Menschen zeigt, wie es anders geht. Wie sie mit ihrer Idee nicht nur Bottrop verändern wollen.

Von Fabienne Strohmer

Am Fenster spielen vier junge Männer am Kickertisch, andere stehen daneben und schauen zu. In der Couchecke sitzen zehn weitere Jugendliche und spielen Karten, durch die Mitte des Raumes fliegen Dartpfeile auf eine Scheibe. Es ist laut. Musik dröhnt aus den Boxen, die Jugendlichen lachen viel.

Einer, der hier alles im Blick hat, ist Lennart Schraven. Der 17-Jährige ist im Vorstand der Schülergewerkschaft, ein Zusammenschluss junger Menschen aus Bottrop. Sie wollen sich nicht mehr nur über die begrenzten Möglichkeiten in ihrer Stadt beklagen, sondern mitgestalten. Im Vorstand übernimmt er ehrenamtlich gemeinsam mit Mitschülerinnen und Mitschülern organisatorische Aufgaben.

Lennart Schraven ist glücklich darüber, dass der Raum so gut angenommen wird

00:16 Min. Verfügbar bis 02.03.2026

Lebendige Gemeinschaft statt trister Innenstädte

Seit Ende 2023 steht der Raum in der Bottroper Stadtmitte den Jugendlichen frei zur Verfügung - kostenfrei, denn der Eigentümer will die Immobilie erst in zwei bis drei Jahren für ein Projekt nutzen, bis dahin würde der Raum sonst leer stehen. Seitdem kommen und gehen die Schüler, wie sie wollen. Nur das Jugendschutzgesetz schreibt ihnen vor: um 22 Uhr ist Schluss. Möbel und Spiele vor Ort stammen aus Spenden. Teilweise griffen sie auch selbst zum Werkzeugkoffer, stapelten Europaletten aufeinander und nagelten Laminat darauf, um ihren ersten Tisch zu bauen.

Was mögen die Jugendlichen an ihrem Jugendtreff?

00:22 Min. Verfügbar bis 02.03.2026

Viele Städte im Ruhrgebiet kämpfen aktuell mit ähnlichen Problemen. Laut Handelsreport Ruhr der Industrie- und Handelskammer trifft der Leerstand vor allem die Innenstädte. Knapp 200.000 Quadratmeter potenzieller Verkaufsflächen stehen leer. Eine Umfrage des Handelsverbands zeigt, dass sich vor allem junge Besucher mehr Sportangebote wünschen und die Aufenthaltsqualität sowie Sauberkeit bemängeln. Flächendeckende Ideen oder Konzepte zu einem nachhaltigen Wandel sind Mangelware oder scheitern an den klammen Kassen der Kommunen.

Drei Jugendliche stehen in einem Jugendtreff mit Kicker und Dartscheibe.

Der Vorstand der Schülergewerkschaft ist stolz auf das, was sie geschafft haben.

Eine Idee für das ganze Ruhrgebiet?

Lennart ist zufrieden damit, wie der Raum genutzt wird. Auf dem Erfolg wollen er und die anderen Vorstandsmitglieder sich aber nicht ausruhen, sie haben noch einiges vor. Ihre Vision nennen sie "Das Haus der Zukunft". In ihrem Konzept gäbe es in einer Stadt mehrere Räume wie ihren Jugendtreff. Entweder zentral in einem Haus oder verteilt auf mehrere Gebäude. Die Räume, zum Beispiel eine Küche, ein Kunstraum, ein Partykeller oder auch Balkone und Beete zum Bepflanzen, könnten von den Jugendlichen eigenständig genutzt werden.

Die Selbstverwirklichung ist ihnen dabei besonders wichtig: "Ein Raum geht, ein neuer taucht auf, wo man etwas machen kann. Wo man sich selbst organisiert und etwas Eigenes erschaffen kann, um unsere Heimat, unser Zuhause etwas besser zu machen", erklärt Lennart. Ihre Idee stellen sie auch auf ihrer Website vor und wollen damit als Nächstes in das ISEK aufgenommen werden.

Integriertes Städtebauliches Entwicklungskonzept

Die Abkürzung ISEK steht für "Integriertes Städtebauliches Entwicklungskonzept". Hierbei soll ein langfristiges Konzept entwickelt werden, wie die Innenstadt wieder attraktiver gemacht werden kann. Es geht dabei vor allem um öffentliche Räume, die Umgestaltung von Gebäuden und Mobilität. ISEK ist die Grundlage für die Beantragung von Städtebaufördermittel, mit denen öffentliche und private Investitionen vermittelt werden können.

Um mehr Schülerinnen und Schüler für ihr Vorhaben zu begeistern, besuchen Lennart und die anderen Vorstandmitglieder der Schülergewerkschaft regelmäßig andere Schulen in Bottrop. "Jetzt können wir anfangen, die nächsten Freunde mitzunehmen, die an den Realschulen sind und dafür sorgen, dass sich hier alle willkommen fühlen", so Lennart. Je mehr junge Menschen sich für ihre Vision engagieren, desto stärker sei ihre Stimme. Nur gemeinsam könnten sie wieder mehr Leben in die Innenstadt bringen, ist er überzeugt.

Über dieses Thema haben wir auch am 10.01.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Ruhr, 19.30 Uhr.