Nico sitzt lächelnd in seinem Rollstuhl.

Heute ist der Krebs egal: Wie ein Verein Nico zum Strahlen bringt

Hochsauerlandkreis | Füreinander

Stand: 27.11.2024, 07:54 Uhr

Nico ist erst fünf Jahre alt und hat schon 60 Chemotherapien hinter sich. Hirntumor. Der Verein Lächelwerk aus Schmallenberg schenkt schwerkranken Kindern wie ihm und ihren Familien Momente der Unbeschwertheit. Ein besonderer Ausflug in den Maxipark in Hamm.

Von Katrin Wrobel

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Drei Tage alt und schon die erste Chemotherapie

Nico lacht und quiekt. Mit seinem Rollstuhl verfolgt er Loona, das große, kuschelige Maskottchen mit grauem Kopf und liebevollen Augen. Mit einer Art Joystick steuert der Fünfjährige seinen Elektro-Rollstuhl und zieht immer wieder Kreise um das Maskottchen. "Guck mal Loona, hier bin ich!", ruft er. Nico ist mit Tumoren im Hirnstamm und Rückenmark auf die Welt gekommen. Als er gerade einmal drei Tage alt war, bekam er seine erste Chemotherapie. Es war die erste von insgesamt 60. Seit seiner Geburt ist Nico querschnittsgelähmt. Nur seinen rechten Arm und seinen Kopf kann er eingeschränkt bewegen.

Nico und Maskottchen Loona: Ein unzertrennliches Team

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Die Ärzte glaubten damals, Nico würde sein erstes Lebensjahr nicht überleben. Doch das kümmerte Nico wenig. Fröhlich sitzt der Fünfjährige nun in seinem Rollstuhl, wedelt mit seinem rechten Arm, wackelt mit dem Kopf und summt dabei. Maskottchen Loona macht es ihm nach. Loona gehört zum gemeinnützigen Verein "Lächelwerk" aus Schmallenberg und soll den Kindern Freude schenken. Genau wie der Tag heute im Maxipark in Hamm.

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Lächelwerk schenkt schwerkranken Kindern Kraft

"Mutmacher" nennt sich das Projekt, bei dem die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter des Vereins regelmäßig Ausflüge mit Familien machen, deren Kinder schwere Krankheiten hatten oder haben. Raus aus dem Alltag. Irgendwohin, wo es schön ist. "Wir wollen die Kinder an Orte bringen, wo ihre Krankheit nicht im Fokus steht", sagt Alex Göbel. Er hat den Verein vor sieben Jahren zusammen mit seiner Frau gegründet. 140 Kinder, unter anderem mit Krebs- oder Autoimmunerkrankungen, aus ganz Deutschland betreut das Lächelwerk. Viele von ihnen verbringen viel Zeit bei Ärzten, haben anstrengende OPs und Therapien hinter sich. "Wir möchten ihnen und ihren Familien eine Auszeit verschaffen, damit sie neuen Mut und neue Kraft für den Alltag schöpfen können", so Göbel.

Das Maskottchen Loona wird von mehrern Kindern und Eltern begleitet.

Lächelwerk-Maskottchen Loona begleitet die Kinder

Dabei sind auch die Geschwisterkinder mit eingeladen. Und auch den Eltern, die dabei sind, tut der Tag gut. "Einen Tag mal nicht dran zu denken: Welche Termine mache ich wann? Welche Therapien müssen wir machen? Unbeschwert mal nur an schöne Dinge denken", sagt Nicos Mutter Daniela. Ihren vollen Namen möchte die Familie nicht veröffentlichen. Nach rund drei Jahren mit Chemotherapien hat Nico mittlerweile zwar noch einige Krebszellen im Körper. Die richten aber keinen Schaden an, sagen die Ärzte bei den regelmäßigen Kontrollen.

Auch Nicos Vater an Krebs erkrankt

Nicos Familie musste schon vor seiner Geburt Erfahrung mit Krebs machen: Zwei Jahre zuvor ist sein Vater an Krebs erkrankt. Seitdem ist er bewegungseingeschränkt und läuft mit einer Orthese. Dass auch Nico mit Krebs auf die Welt kam, hängt nicht mit der Erkrankung seines Vaters zusammen. "Da hatten wir einfach Pech", sagt Nicos Mutter Daniela. Als Familie hätten sie zunächst viel Mitleid erfahren. Oft seien sie gefragt worden, wie sie das durchhalten würden. "Dann habe ich irgendwann nur gesagt: Leute, schaut euch das Kind doch mal an. Das lacht, das strahlt. Ich habe nicht das Recht dazu, jetzt negativ zu sein."

Krebserkrankungen in Deutschland

Hirntumore sind nach Leukämie die zweithäufigste Krebsart bei Kindern. So hat laut dem Deutschen Krebsforschungszentrum rund ein Viertel der Kinder mit Krebs einen Hirntumor. Bei Erwachsenen sind bei Männern Prostatakrebs und bei Frauen Brustkrebs am häufigsten. Etwa eine halbe Million Menschen erkrankt in Deutschland nach Angaben des Robert Koch-Instituts jährlich neu an Krebs - darunter vor allem ältere Menschen. Mehr als die Hälfte aller Krebspatienten im Jahr 2022 waren zwischen 60 und 79 Jahre alt, so die Zahlen des Statistischen Bundesamts. Nur fünf Prozent der Krebspatienten waren unter 40 Jahren.

Immer wieder muss Daniela auch heute grinsen, wenn sie ihren Sohn herumtollen sieht. Gerade düst Nico mit seinem Rollstuhl um Lächelwerk-Gründer Alex Göbel herum. "Du langsamer Hase!", ruft er ausgelassen und fährt an ihm vorbei. "Hast du gerade langsamer Hase zu mir gesagt?!", fragt der gespielt entrüstet und läuft Nico hinterher. "Der Alex ist toll", sagt Nico. Auch Göbel hat den Fünfjährigen ins Herz geschlossen.

Nicos Mutter Daniela über den Umgang mit Nicos Erkrankung

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Verein entstand durch Schicksalsschlag

Was es heißt, schwerkrank zu sein, weiß auch Göbel aus eigener Erfahrung. Er überstand drei Krebserkrankungen. "Wenn man die Diagnose bekommt, bricht erst einmal die Welt zusammen", sagt er. Für ihn und seine Frau war klar: Sie wollen andere in ähnlichen Situationen auffangen. Daraufhin gründeten sie den Verein Lächelwerk. Inzwischen sind sie sechs hauptberufliche Mitarbeitende und werden durch zahlreiche Ehrenamtliche unterstützt.

Alex Göbel blickt zufrieden in die Kamera.

Alex Göbel hat den Verein Lächelwerk mit seiner Frau gegründet

Für Nicos Mutter ist der Verein eine große Stütze. "Es gibt Tage, da kann man keinen klaren Gedanken fassen. Aber die Menschen vom Lächelwerk haben immer Verständnis und helfen." Das Team des Vereins durchlebt mit den Familien Verzweiflung, Angst, Erleichterung. Sie beraten bei Anträgen, Formalia und allem, wo sonst noch Hilfe benötigt wird. Auch Traumatherapien und regelmäßige Ferien- und Kreativkurse bietet das Lächelwerk an.

Mindestens einmal im Monat gibt es außerdem die gemeinsamen "Mutmacher"- Ausflüge, für die der Verein auch mit dem NRW-Ehrenamtspreis ausgezeichnet wurde. Nach besonders schweren Phasen finanziert das Lächelwerk Familien auch mal einen lang erhofften Urlaub, etwa an die Ostsee. Außerdem springen sie bei individuellen Herausforderungen ein: zum Beispiel, wenn Häuser rollstuhlgerecht umgebaut werden müssen oder wenn bestimmte Therapien und Untersuchungen nicht von der Krankenkasse übernommen werden. Die Hilfen finanzieren sie über Förderanträge und Spenden.

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Unterstützung für einen Aufzug

Auch Nicos Familie bekommt aktuell Unterstützung vom Lächelwerk: Denn Nicos Elektro-Rollstuhl ist zu schwer, um ihn in die Wohnung zu tragen. Damit er trotzdem selbstständig ins Haus kommt und sich in der Wohnung allein fortbewegen kann, muss ein Aufzug am Haus angebaut werden. Der Verein kümmert sich darum, Stiftungen anzuschreiben, um den Aufzug zu finanzieren.

Nico hat derweil den kleinen Wasserspielplatz im Park entdeckt. Lachend fährt er im Slalom um die kleinen Wasserstrahlen, die aus dem Boden schießen. Göbel läuft nebenher. "Schau mal, hier drunter durch!", spornt er an und zeigt auf eine Reihe an Wasserstrahlen, die einen bogenförmigen Durchgang formen. Vergnügt biegt Nico in den Durchgang ein.

Nico und Alexander Göbel toben am Wasserspielplatz

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Nach einigen Stunden müssen sich Nico und seine Mutter verabschieden. Es steht noch ein Familienfest an. Die anderen Kinder toben noch etwas weiter. Bald darauf merkt man vielen von ihnen aber die Müdigkeit nach dem Tag an. Auch Göbel ist geschafft - und zufrieden. "Dieses Unbeschwerte der Kinder zu spüren, obwohl sie sehr harte Wege hinter sich hatten und vor sich haben. Die Kinder hier heute so rumspringen und lachen zu sehen. Das ist das schönste Gefühl, was es gibt", sagt er. Für ihn und die anderen Helfer des Lächelwerks gilt für heute: Mission erfüllt.