Ausgestattet mit Halftern und Strick geht Lydia Pache zusammen mit Lara, Maja und den anderen Kindern zur Weide. "Darf ich Monty nehmen?", ruft eines der Kinder. "Ich möchte Goldi", sagt ein anderes. Nach und nach finden sich Kinder und Pferde und machen sich im Gänsemarsch auf zum dreckigen Part des Tages: Pferde bürsten, die Mähne entwirren und Hufe auskratzen. Jedes Pferd hat seinen eigenen Eimer mit Putzzeug. Pache hilft beim Verteilen, damit auch jedes Kind mitmachen kann. "Hier können die Kinder noch richtig Natur erleben und nicht nur auf einem eingezäunten Spielplatz spielen", sagt die 57-Jährige und streichelt Pony Monty.
Auf Gut Rodeberg leben zwölf Pferde und Ponys, die hier ihren Lebensabend verbringen. Sie alle sind ehemalige Reit- oder Therapiepferde, zum Teil aus schlechter Haltung oder Arbeitspferde aus dem Ausland. Um das Futter, die Tierarztkosten und die Unterbringung für die Seniorenpferde zu finanzieren, hat Pache zusammen mit anderen Ehrenamtlichen 2020 den Verein "Seniorenpferde aktiv mit Kindern e.V." gegründet. Mit Spenden und Pferdepatenschaften können sie sich um die Vierhüfler kümmern und gleichzeitig Angebote für Kinder und Jugendliche auf die Beine stellen.
Es kommen Kinder aus Jugendzentren oder auch geflüchtete Jugendliche, die zum Teil das erste Mal Kontakt zu Pferden haben. Aber auch Kinder, die einfach Lust haben, mal Pferde zu putzen und spazieren zu führen, sind willkommen. Die Kinder können zwar nicht auf den Pferden reiten, dafür sind sie zu alt. Doch dadurch macht es nicht weniger Spaß mit ihnen Zeit zu verbringen.
Tierische Freunde für jedes Alter
Für die beiden Schwestern Lara und Maja ist der Haflinger Träumer das perfekte Pferd. "Der ist nett und der macht so toll mit", sagt die siebenjährige Lara, während sie mit dem ehemaligen Therapiepferd durch den Parkour geht. Zusammen laufen sie Slalom um Hütchen oder laufen über eine knisternde Plane.
Vor der Wippe bleibt Lara zögernd stehen. "Schaffen wir das wirklich darüber?", fragt sie eine der Ehrenamtlichen, die den Parkour betreut. Die macht Lara Mut und nach ein paar weiteren zögerlichen Schritten trauen sich Lara und Träumer über die Wippe. "Wir haben es geschafft, das hast du super gemacht, Träumer", jubelt Lara. Sie möchte ganz bald wiederkommen, das sagt sie schon, während sie mit dem Pferd noch weitere Runden über die Wippe dreht.
Win-Win für Kinder, Pferde und Ehrenamtliche
Pache schaut vom Rand aus zu und freut sich, dass Pferde und Kinder heute sehr entspannt sind. Für sie ist das Angebot auf Gut Rodeberg ein Gewinn für alle. "Die Pferde bekommen durch die Besuche der Kinder Bewegung und genießen die Aufmerksamkeit. Die Kinder sind in der Natur und lernen, dass auch alte Tiere es wert sind, dass man sich um sie kümmert", erklärt Pache. Sie selbst hat das von ihr sogenannte "Pferdegen" schon seit der Kindheit. "Ich habe als Kind versucht, meine Eltern davon zu überzeugen, dass in unseren Vorgarten auf jeden Fall ein Pony passen würde."
Ein Pony im Garten hat nicht geklappt, dafür hat Pache jetzt zwölf Pferde auf großen Weiden. Über ihren Beruf als Ernährungsberaterin für Pferde hat sie die Herde auf Gut Rodeberg in Düsseldorf kennen – und lieben gelernt. Seitdem engagiert sie sich in ihrer Freizeit für die Tiere. Für sie und die anderen Ehrenamtlichen heißt das, fünf Mal am Tag zum Hof zu fahren und die Tiere zu füttern und zu pflegen. Der Verein benötigt aber Spenden, um seine Arbeit fortzusetzen. "Uns liegen die Tiere alle sehr am Herzen, jedes einzelne", sagt Pache.
Zweite Chance für Vierhüfler
Während die Kinder auf dem Parkourplatz ihre Runden mit den Pferden drehen, beobachtet Pache gegenüber auf der Weide Stute Walaika. Das ehemalige Rennpferd kam mit Sehnenproblemen von der Rennbahn nach Gut Rodeberg. Dort durfte alles ausheilen - auch die Psyche. Freien Auslauf auf der Weide kannte Walaika vorher nicht, jetzt genießt sie diesen täglich und blüht in kleinen Trainingseinheiten richtig auf.
"Walaika ist nur ein Beispiel für die teilweise wirklich traurigen Geschichten, die die Tiere erlebt haben. Viele von ihnen wurden sehr schlecht behandelt, waren Arbeitstiere und wurden vernachlässigt", sagt Pache. Für die Tiere ist Gut Rodeberg eine Chance, doch noch einen friedlichen Lebensabend zu verbringen. Genau das treibt Pache und ihre ehrenamtlichen Kolleginnen an. "Jedes Tier hat verdient, ein gutes Leben zu haben."
Pferde suchen neues Zuhause
Allerdings tickt die Uhr für den Ponyhof. Der Grundstückbesitzer möchte das Land anderweitig verwenden, der Pachtvertrag ist Ende 2023 ausgelaufen. Noch sind die Pferde geduldet, aber Pache sucht dringend einen neuen Hof für ihre zwölf Lieblinge. "Wir wollen die Herde nicht trennen. Wir haben den blinden Lou, der braucht sein Blindenführpony Max. Solche Verbindungen wollen wir auf keinen Fall auseinanderreißen." Doch einen Hof für alle Tiere zu finden, der finanzierbar ist, ist sehr schwierig. Vor allem soll er in der Nähe sein, damit sich Pache und das ganze Team von Helferinnen und Helfern weiterhin um die Pferde kümmern können. "Die Tiere haben einen schönen Lebensabend verdient. Wer eine Idee hat oder einen Hof kennt, der kann sich gerne melden. Die Zeit drängt leider", sagt Pache.