Rechnen kann ganz schön schwierig sein, findet Thomas. Er ist acht Jahre alt, genauer gesagt "fast neun. Man könnte auch sagen: halb neun." Thomas grinst und beugt sich über sein Mathe-Arbeitsblatt. Ursula Müller lehnt sich zu ihm herüber und schaut, welche Zahlen er aufschreibt. Einmal die Woche hilft die 61-Jährige ihm bei den Hausaufgaben. Zusammen üben sie Rechnen, Lesen und Schreiben.
Müller ist eine von neun Ehrenamtlichen, die die Kinder im Wohnquartier Speckerfeld in Nettetal-Breyell bei den Hausaufgaben unterstützen. Im Quartier wohnen rund 2500 Menschen aus über 40 unterschiedlichen Ländern. Die Caritas hat das Projekt der ehrenamtlichen Hausaufgabenhilfe an den Start gebracht. "Oft ist es so, dass die deutsche Sprache nicht die erste Sprache ist, die sie lernen. Dann fällt es den Kindern natürlich schwerer, den Schulunterricht zu verfolgen", sagt Nora Campen, Sozialarbeiterin und Leiterin des Bürgerbüros der Caritas vor Ort.
Nettetal: Warum nicht alle die gleichen Chancen haben
Dass Kinder mit Migrationshintergrund in der Schule im Durchschnitt nicht die gleichen Chancen haben, erklärt auch der Sachverständigenrat für Integration und Migration. Das vom Bund geförderte Gremium verweist dabei auf verschiedene Studien in den letzten Jahren. Alle zeigen, dass Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund in schulischen Kompetenzen schlechter abschneiden. Das schlechte Abschneiden hängt dabei laut SVR von verschiedenen Faktoren ab. Zum Beispiel, welche Schulbildung die Eltern haben, wie gut sie sich mit dem deutschen Bildungssystem auskennen oder ob sie zu Hause Deutsch sprechen.
Um die Kinder im Wohnquartier Speckerfeld möglichst gut zu unterstützen, bilden die Ehrenamtlichen Tandems mit ihnen und treffen sich mindestens einmal pro Woche. Einzelne Schüler seien so bis zum Abitur begleitet worden, erzählt Sozialarbeiterin Campen.
Auch Toprak und Feyza kommen einmal die Woche zur Hausaufgabenhilfe. Ihre Muttersprache ist Türkisch. Beim Deutschlernen machen die beiden Geschwister große Fortschritte. Ehrenamtlerin Brigitte Jacobs, von allen "Biggi" genannt, unterstützt sie dabei.
Pläne für die Zukunft
Stolz zeigt der achtjährige Toprak ihr seinen letzten Test. "21 von 21 Punkten", staunt Jacobs, "das ist ja wirklich toll." Und auch Feyza, ein Jahr älter als ihr Bruder, hat bei einem Test in der Schule letzte Woche ein Sternchen bekommen. Jacobs freut sich mit den Kindern. Die Rentnerin hat die beiden ins Herz geschlossen, genau wie ihre Mutter, die die beiden bringt und abholt. "Wir verstehen uns super. Sie ist super herzlich, und bringt mir als Dank fast immer etwas Selbstgemachtes zu Essen mit", so Jacobs.
Wenn sie groß ist, möchte auch die neunjährige Feyza einmal Kinder beim Lernen unterstützen. "Ich will Lehrerin werden. Dann kann man Kindern helfen und mit ihnen spielen", sagt sie. Auch der Fast-Neun-Jährige Thomas hat schon einen klaren Berufswunsch: "Bäcker. Wenn ich dann mit der Arbeit fertig bin, dann kann ich mir drei oder vier Brötchen nehmen und armen Menschen geben", sagt er. Bis dahin dauert es noch eine ganze Weile. Dafür muss er erst einmal die Schule abschließen. Zum Glück kann er sich dabei auf die Hilfe der Ehrenamtlichen in Nettetal verlassen.
Über dieses Thema haben wir auch am 26.11.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Düsseldorf, 19.30 Uhr.