Andreas Berger dirigiert sein Orchester

Von der Schulbank auf die große Bühne: Wie ein Lehrer in Bonn Talente entdeckt

Bonn | Füreinander

Stand: 14.07.2023, 12:59 Uhr

Zahlreiche Musiker aus NRW haben hier ihre ersten Töne getroffen, unter anderem die Band Querbeat: am Bonner Kardinal-Frings-Gymnasium. Hinter diesen Erfolgsgeschichten steht ein ehemaliger Musiklehrer. Der ist zwar eigentlich im Ruhestand, kann aber nicht recht loslassen.

Von Gisela Hartmann

Über 80 Musiker sitzen gespannt im Saal des Kardinal-Frings-Gymnasiums. Ein Publikum haben sie an diesem Samstag nicht, wie an den meisten Samstagen. Alle warten auf sein Zeichen: Andreas Berger. Er ist leger gekleidet, trägt Jeans und einen blauen Pulli. Berger steht vorne am Pult. "Seid ihr bereit, geladen und entsichert?" Mit dem Taktstock gibt er das Zeichen und die 80 Blechbläser holen tief Luft. Trompeter, Saxophonisten, Posaunisten und Klarinettisten spielen gemeinsam, das hört sich gewaltig an. Als erstes spielen sie den Titelsong vom Fluch der Karibik.

Jeden Samstagvormittag treffen sich aktuelle und ehemalige Schüler des Bonn-Beueler Gymnasiums zur gemeinsamen Probe. Alle in ihrer Freizeit, alle freiwillig. Auch Berger leitet das Orchester ehrenamtlich. Sechstklässler sitzen neben Menschen mit grauen Haaren. Und vorne dirigiert Andreas Berger, 69 Jahre alt. Er hat das Orchester vor über 40 Jahren aufgebaut. Und in all den Jahren viele jungen Menschen bei ihrem Traum unterstützt, von der Musik leben zu können. Einige von ihnen haben es sogar auf die ganz großen Bühnen geschafft.

Hörprobe: Das Orchester bei der Probe

00:32 Min. Verfügbar bis 07.06.2025

Querbeat entstand im Kardinal-Frings-Gymnasium

"Als ich hier 1982 anfing, ging es darum, möglichst schnell erfolgreich Musik zu machen. Denn als ich am Kardinal-Frings-Gymnasium ankam, gab's hier nicht viel. Ich sage immer scherzhaft: 'Hier gab es drei Blockflöten und eine Triangel'", sagt Berger. Inzwischen ist das Orchester an der Schule nicht wegzudenken. Für Berger ging es immer darum, Leidenschaft für die Musik zu vermitteln. Seine Ansagen sind kurz und knackig "zu tief", "auch zu tief", "zu leise", "alle nochmal". Aber scharfe Worte oder Drill gibt es hier trotzdem nicht. Der 69-Jährige bleibt locker und fröhlich, selbst wenn ein Stück mal nicht so klappen will. Wer so viel mit jungen Musikern gearbeitet hat wie er, den bringt so schnell nichts aus der Ruhe.

Aus dem Orchester sind in den vergangenen 25 Jahren mehrere erfolgreiche Bands hervorgegangen. Es ist eine Talentwerkstatt für die ganze Region. Die erfolgreichste ist die Brass-Pop-Band Querbeat, die mittlerweile ganze Stadien füllt. Natürlich gehe er auch zu ihren Konzerten – und manchmal erhalte er sogar eine VIP-Karte, sagt Berger grinsend. "Dann freue ich mich besonders.

Querbeat bei einem Auftritt in Dranouter

Aus dem Schulorchester ist auch die Brass-Pop-Band Querbeat hervorgegangen

Erfolgsrezept: frühe Förderung

Auch andere ehemalige Schüler sind hauptberuflich Musiker geworden und spielen mittlerweile bei den Essener Philharmonikern oder beim Stabsmusikchor der Bundeswehr. Für jeden, der selbst mit einem Instrument anfangen möchte, hat Berger einen Tipp:

Andreas Bergers Tipp für alle, die mit einem Instrument anfangen wollen

00:16 Min. Verfügbar bis 07.06.2025

Es sei immer wieder schön, die Leute im Fernsehen wiederzusehen, die man von der fünften Klasse an kenne, erzählt Berger. Da beginne die Ausbildung der jungen Musiker. Alle Schüler, die auf das Gymnasium wechseln, erhalten das Angebot, ein Instrument zu lernen. Viele halten es da zum ersten Mal in den Händen. "Nach einem Jahr kommen sie dann ins Vororchester und nach noch einem Jahr ins große Orchester", erklärt Andreas Berger.

"Das Orchester ist mein Baby"

Seit 2019 ist Andreas Berger im Ruhestand. Das Orchester leitet er trotzdem ehrenamtlich weiter. "Das ist mein Lebenswerk - oder besser gesagt: mein Baby. Die Aufgabe macht mir riesigen Spaß", sagt er. Wahrscheinlich sei er einer der wenigen Lehrer in NRW, die auch samstags gearbeitet haben, überlegt er. "Ohne Idealismus kann man so etwas nicht aufbauen."

Andreas Berger und sein Orchester

Jeden Samstagvormittag treffen sich die Musiker zur Probe

Sein symphonisches Blasorchester spielt von Filmmusiken über Popsongs bis hin zu Kirchenmusik fast alles. Gerade ist der Fußball-Klassiker "Football's Coming Home" dran. Während der Refrain langsam zum Ende kommt, schlägt Andreas Berger begeistert mit seinem Taktstock aufs Pult: "Ich bin jetzt zwar halb taub, aber ich brauchte euch nicht zu unterbrechen, das habt ihr gut gemacht", ruft er seinem Orchester zu.

Über das Thema haben wir am 19. Mai 2023 auch im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Bonn, 19.30 Uhr.