Moritz legt vorsichtig die Bowlingkugel auf die kleine orangefarbene Rampe. Sie sieht aus wie eine Mini-Kinderrutsche. "Jetzt gibst du der einen richtigen Schubs", sagt Susanne Krischka. "Und los!" Sie hilft dem 25-Jährigen beim Bowlen, denn alleine könnte er das nicht. Als mehrere Kegel umfallen, klatschen die beiden ab. "Bowling ist einfach mega", sagt die Urlaubsbegleiterin. Moritz ist einer von acht Menschen mit Behinderung, die zusammen nach Neuharlingersiel in Niedersachsen gefahren sind. Begleitet werden sie wiederum von acht Ehrenamtlichen, die für den Kirchenkreis Essen arbeiten.
Der Evangelische Kirchenkreis Essen bietet mehrmals im Jahr Reisen für Menschen mit Behinderung an. Dafür sucht er regelmäßig Ehrenamtliche ab 18 Jahren, die im Vorfeld für die neue Aufgabe geschult werden. Übernommen werden die Kosten für Fahrt, Unterkunft und Essen während der Freizeit. Außerdem erhalten die Begleiter eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 20 Euro pro Tag. Aber was treibt die Ehrenamtlichen an?
In diesem Jahr ist Krischka sogar drei Mal für ihr Ehrenamt im Einsatz. "Ich mag die Gesellschaft in den Freizeiten. Wir haben immer sehr viel Spaß zusammen", sagt die 59-Jährige. Ein Neuling als Urlaubsbegleiterin ist sie nicht. Seit mehr als zehn Jahren begleitet Krischka Behinderte auf Ferienfreizeiten. In ihrem Beruf arbeitet sie außerdem als Integrationshelferin in einer Waldorfschule. Ab und an fährt sie auch noch alleine oder mit ihrer Mutter in den Urlaub. "Das ist aber etwas anderes, wenn man so ganz alleine ist", sagt sie.
Jeder Mensch braucht Urlaub
Pausen gibt es während so einer Woche an der Nordsee kaum. Der Betreuungsschlüssel liegt fast bei eins zu eins. Einige der Behinderten brauchen mehr, andere weniger Hilfe für das eine, was jeder ab und an braucht: einen Ausbruch aus dem Alltag. Ohne die Ehrenamtlichen wäre für die meisten der acht Reise-Teilnehmer gar nicht an Urlaub zu denken. "Sie können nicht Auto fahren und häufig auch nicht mit Geld oder dem Verkehr umgehen. Deshalb ist es wichtig, dass man sie etwas anleitet", sagt Krischka.
Aber auch das ist noch nicht alles für Krischka. Denn mit jeder dieser Reisen schafft sie nicht nur ein Angebot für Menschen mit Behinderung. Sie schafft auch einen Gedankenanstoß für jene Menschen, die der Reisegruppe begegnen:
Beim Stadtbummel durch Neuharlingersiel geht es aber vor allem darum, keinen zu verlieren. Krischka weist Kaya, eine junge Frau mit Down-Syndrom, ruhig aber bestimmt darauf hin, dass sie bei der Gruppe bleiben muss. "Das ist jetzt anders als in der Jugendherberge. Wir sind jetzt in einer Stadt, da fahren Autos. Da musst du bei uns bleiben", erklärt Krischka. Nach zehn Jahren Ehrenamt, weiß Krischka, was sie tut. Manche Urlauber brauchen Worte, andere nimmt sie bei der Hand, wieder andere, so wie Moritz, brauchen Medikamente. Krischka hat die Notfallmedikamente immer dabei.
Einfach im Hier und Jetzt sein
Trotz oder vielleicht auch gerade wegen der Verantwortung kann Krischka die Reisen aber auch für sich selbst genießen. "Man lacht einfach unheimlich viel, vergisst auch die Probleme im Alltag. Man ist einfach im Hier und Jetzt - und das ist wirklich schön."
Über dieses Thema berichten wir auch im WDR-Fernsehen am 28.02.2023: Lokalzeit Ruhr, 19.30 Uhr.