Bewegendes Kennenlernen: Patient trifft Lebensretterin

Duisburg | Füreinander

Stand: 16.06.2024, 10:18 Uhr

Als Melanie Menges aus Duisburg vor zwei Jahren einen Anruf erhielt, konnte sie es kaum glauben. Plötzlich hatte sie die Chance, ein Leben zu retten. Jahre zuvor ließ sie sich als Stammzellenspenderin für die DKMS typisieren. Nun trifft sie erstmals auf den Mann, der dank ihrer Spende eine Zukunft hat.

Von Ines Rothmeier

Weinend fallen sich Melanie Menges und Alexander Oberst vor dem Haus von Familie Menges in Duisburg in die Arme. Beide sehen sich an diesem Tag zum ersten Mal. "Ich konnte es kaum erwarten. Ich bin wahnsinnig aufgeregt", sagt Oberst, nachdem er sich etwas gefangen hat. Der 52-jährige Familienvater aus Mannheim ist mit seiner Frau Angela nach Duisburg gereist, um seine Lebensretterin zu treffen. An den ersten Anruf von Menges vor wenigen Wochen erinnert er sich noch gut.

Alexander Oberst war überwältigt von Melanie Menges Anruf 00:38 Min. Verfügbar bis 16.06.2026

Dass es zwei Jahre dauert, bis beide nach der Spende das erste Mal aufeinandertreffen, liegt an einer besonderen Regelung. Bei Knochenmarkspenden gibt es eine zweijährige Anonymitätsfrist. Austausch ist in dieser Zeit nur anonym per Brief oder Mail möglich. Das hat mehrere Gründe. Patienten sollen sich unter anderem ganz auf ihre Genesung konzentrieren können. Erst danach erhalten beide Seiten persönliche Informationen wie Adresse, Name und Telefonnummer des anderen.

Sprung zurück zu dem Moment, der Alexander Oberst überhaupt erst in diese Situation gebracht hat. Vor drei Jahren riss ihn die Diagnose Blutkrebs völlig von den Beinen. "Für mich ist eine Welt zusammengebrochen." Nach unzähligen Chemotherapien war seine letzte Chance die Stammzellenspende. Der Moment, als der rettende Anruf kam, sei unglaublich emotional gewesen: "Meine Familie war bei mir. Wir haben alle sofort geweint", sagt Oberst mit brüchiger Stimme.

Die Stammzellenspende ist oft die letzte Chance

Jedes Jahr erkranken laut Deutscher Krebsgesellschaft etwa 12.500 Menschen in Deutschland an Blutkrebs. Viele von ihnen sind auf eine Stammzellenspende angewiesen. Die Spendebereitschaft ist groß. Rund 12 Millionen Menschen sind in der Deutschen Knochenmarkspenderdatei registriert. Trotzdem ist die Chance, Spender zu werden, klein. Nur gut ein Prozent aller Registrierten werden als Spender angefragt. Wer älter als 61 Jahre ist, scheidet aus Altersgründen aus der Spenderdatei aus.

Ungefähr 115.000 Menschen haben laut DKMS seit Gründung 1991 bisher eine Stammzellenspende erhalten. Vor zwei Jahren wurde der Mannheimer Realschuldirektor Alexander Oberst einer von ihnen.

Eins ist sicher: die Familien bleiben in Kontakt

Nachdem sich die langen Umarmungen auf der Straße in Duisburg lösen, gehen beide Familien in die Wohnung der Menges. Um seine Dankbarkeit zu zeigen, hat Oberst Geschenke mitgebracht. Seine Frau hängt Melanie Menges gerade eine Halskette mit einem QR-Code um den Hals. Als Menges den Code auf dem Amulett scannt, erscheint eine Video-Botschaft von Oberst und seiner Familie. Wieder schießen ihr Tränen in die Augen.

So dankbar sind Alexander Oberst und seine Familie Melanie Menges 00:14 Min. Verfügbar bis 16.06.2026

Wenig später sitzen alle am Tisch. Immer wieder lachen sie, weinen kurz, reden viel. Oberst erzählt von der Unterstützung seiner Familie, seiner Nachbarn, Kollegen und Schüler. Und vom Tag der Transplantation. "Der Arzt kam rein und sagte: 'Die Stammzellen sind jetzt da.' Es war ein gelber Beutel. Der lief 45 Minuten über die Vene ein." Ein eigentlich bekanntes Gefühl. Dennoch ist der Moment für ihn ein Neubeginn.

Die Familien Oberst und Menges sind nun untrennbar miteinander verbunden | Bildquelle: WDR / Ines Rothmeier

"Ich würde es jederzeit wieder machen"

Auch Melanie Menges erzählt von der Spende. Die 44-jährige Mutter von zwei Kindern unterzieht sich im Vorfeld Untersuchungen und Tests, über mehrere Tage bekommt sie ein hormonähnliches Präparat in den Bauch gespritzt. "Da ging es mir nicht so gut. Aber ich habe immer nur gedacht: Was ist mit meinem Empfänger?", erzählt Menges. Das habe sie weitermachen lassen.

Melanie Menges würde immer wieder Stammzellen spenden | Bildquelle: WDR / Ines Rothmeier

Durch das Mittel gelangen die im Knochenmark vorkommenden Stammzellen in den Blutkreislauf. Die eigentliche Spende unterscheidet sich dann kaum noch von einer normalen Blutspende, erklärt das DKMS. Der Vorteil: Zellen müssen nicht direkt aus dem Beckenkamm entnommen werden. Fast 90 Prozent aller Spenden erfolgen inzwischen auf diese Weise. Trotz einiger Nebenwirkungen, wie Müdigkeit oder grippeähnlicher Symptome während des Prozesses, würde Menges es wieder machen: "Jederzeit."

Für Oberst stehen die Chancen gut, dauerhaft geheilt zu sein. Dass seine Lebensretterin aus Duisburg kommt, war für ihn ein Wink des Schicksals. Denn in Duisburg hat der Hesse vor vielen Jahren seiner Frau den Heiratsantrag gemacht.

Über dieses Thema haben wir auch am 18.03.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Duisburg, 19.30 Uhr.