Zwei Menschen konsumieren Drogen im Bielefelder Drogenhilfezentrum

Ein Tag im Bielefelder Drogenhilfezentrum

Bielefeld | Füreinander

Stand: 04.03.2025, 16:37 Uhr

Ein Mann sucht nach einer passenden Vene, eine Frau trinkt ein synthetisches Opioid in einem Zug. Drogen bestimmen den Alltag im Drogenhilfezentrum Bielefeld. Das Wichtigste aber ist, dass hier niemand alleine bleiben muss. Wie das vielen Menschen Halt gibt und machen sogar raus aus der Sucht hilft.

Von Lisa Block

Ein hagerer, älterer Mann sitzt auf dem Boden und sucht seit einigen Minuten nach einer passenden Vene an seinen Fußgelenken. Er lehnt sich an die Scheibe zum Raucherbereich. Rechts daneben trennt noch eine weitere Glasscheibe den Raum vom intravenösen Bereich (IV) ab. Marianne Martens beobachtet den sitzenden Mann hinter ihrem abschließbaren Glasfenster. Von hier aus hat sie im Konsumraum des Drogenhilfezentrums in Bielefeld alles im Blick. "Ich schaue, ob es den Menschen gut geht und kann helfen, wenn was passiert", sagt sie. Seit 18 Jahren arbeitet die 61-Jährige hier als medizinische Fachkraft.

Marianne Martens über ihren Job im Drogenhilfezentrum 00:26 Min. Verfügbar bis 05.03.2027

Der Konsumraum im Drogenhilfezentrum (DHZ) an der Borsigstraße ist einer von zehn in NRW und der einzige in ganz Ostwestfalen-Lippe. Der nächste ist in Münster oder Dortmund. Über 400 Drogenabhängige nutzen ihn regelmäßig. In den vergangenen 20 Jahren wurde der Raum wegen der großen Nachfrage ständig erweitert. Lange durften hier nur Menschen aus Bielefeld konsumieren. Inzwischen dürfen 10 Prozent auch aus umliegenden Städten und Gemeinden kommen. Drogenabhängigen stehen nicht nur Utensilien für den Konsum zur Verfügung. Medizinisches Personal hilft in Notfällen oder versorgt Wunden. Bald soll es außerdem Expressplätze für Crack-Konsumenten geben. Denn der Konsum des aufgekochten Kokains hat stark zugenommen.

Bielefeld: Das Drogenhilfezentrum als sicherer Zufluchtsort

Christian Wiesen faltet seine Alufolie. Er legt "Shore", der Straßenname für Heroin, darauf und bringt es von unten mit einem Feuerzeug zum Schmelzen. Durch ein schwarzes Röhrchen inhaliert er die aufsteigenden Dämpfe. "Ich werde davon nicht stoned oder so. Ich mache mich nur fit für die nächsten acht bis zehn Stunden", sagt er. Über dreißig Jahre hat Wiesen Heroin gespritzt, jetzt raucht er es nur noch. Als Wohnungsloser ist er froh, dass es den Konsumraum gibt.

Christian Wiesen erklärt, was er am Drogenhilfezentrum schätzt 00:33 Min. Verfügbar bis 05.03.2027

Etwa 44.000 Menschen in NRW konsumieren wie Christian Wiesen regelmäßig Heroin oder andere Opiate. Das schätzt das Landeszentrum für Gesundheit. Der Großteil von ihnen sind Männer. Mehr als 700 Menschen in NRW sind dabei allein 2022 durch den Konsum von Drogen gestorben, wie Zahlen des Drogenbeauftragen der Bundesregierung zeigen. Heroin verursacht dabei die meisten dieser Todesfälle. Aufklärung ist im Drogenhilfezentrum ein wichtiger Teil der Arbeit. "Weil Spritzen gefährlicher ist, versuchen wir die Konsumenten dazu zu bringen, dann lieber zu rauchen", erklärt Martens.

Der Konsumraum, den Martens aus ihrer Kabine aus im Blick hat, ist nur ein Teil des Drogenhilfezentrums. Zum Angebot gehören neben Mittagessen, Duschen und Waschmaschinen auch ein Café, Sozialberatung und eine Substitutionspraxis. 12 Mitarbeiter kümmern sich jeden Tag um die etwa 90 Gäste.

Drogenhilfezentrum Bielefeld

Adresse: Borsigstraße 13, 33602 Bielefeld

Telefonberatung: 0521 96 780 0

Öffnungszeiten DHZ:

  • Montag bis Freitag: 9 bis 19 Uhr
  • Samstag: 10 bis 16 Uhr
  • Sonntag: 10 bis 13.30 Uhr

Weitere Informationen auf der Webseite des Drogenhilfezentrums

Im Café ist zur Mittagszeit Hochbetrieb. Es gibt Hühnerfrikassee für einen Euro, Nachtisch für 50 Cent. "Dafür kann man zu Hause keinen ganzen Monat kochen", freut sich eine Frau Anfang 40 mit mittellangen braunen Haaren und sticht mit der Gabel in den Salat. Währenddessen schlafen manche auf dem Sofa, oder kratzen ihr letztes Kleingeld für einen Kaffee zusammen.

Anke isst im Drogenhilfezentrum zu Mittag. | Bildquelle: WDR

An einer Wand im Café hängt eine große Tafel mit einer rot leuchtenden Zahl. Die Wartenummer für die Substitutionspraxis eine Tür weiter. Die 42-jährige Sandra Gerdes gießt sich eine grüne Flüssigkeit in einen Plastikbecher. "Damit das nicht so bitter ist", sagt sie und trinkt es auf einen Schluck leer. 60 Milligramm Polamidon, ein synthetisch hergestelltes Opioid, als Ersatz für das Heroin. "Es hilft mir, dass ich normal durchs Leben komme. Ich muss nicht mehr zur Platte gehen und habe nicht jeden Tag den Suchtdruck", sagt sie. Inzwischen nehme sie keine Drogen mehr. "Seitdem ich substituiert werde, ist mein Leben wie ausgewechselt", sagt sie.

"Sonst wären wir vor die Hunde gegangen"

"Der Konsumraum verhindert nicht das Konsumieren, aber er ist sauber und sicher", sagt Carina Reim, eine Kollegin von Marianne Martens. "Das Wichtigste ist der Kontakt. Ich kenne die meisten, die hier hinkommen. Bei ihnen sehe ich sofort, wenn irgendwas nicht stimmt." In ihrer Hand hat sie einen großen blauen Behälter, voller leerer Spritzen von Konsumenten. Jeden Monat kommen um die 2000 davon zusammen.

Durch die Angebote im Drogenhilfezentrum finden die Menschen Halt und wenn es gut läuft, auch raus aus der Sucht. Manuel Neumann und seine Freundin haben es geschafft. "Man kommt da alleine nicht raus, das ist ein Teufelskreis", sagt Neumann, während er im Café sitzt. Beide sind froh, hier gelandet zu sein. "Ich bin dankbar, dass es so etwas gibt und dass die Stadt das unterstützt. Sonst wären wir vielleicht schon vor die Hunde gegangen."

Über dieses Thema haben wir auch am 11.02.2025 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit OWL, 19.30 Uhr.