Wer nur kurz hinschaut, könnte meinen, dass Friedhelm Wels sich verlaufen hat. Mit zwei großen Plastiktüten und einer Malerrolle ohne Farbwalze steht der 86-Jährige auf dem Gelände des Schulzentrums Gerthe. Doch die Zielstrebigkeit, mit der er auf einen der 35 metallenen Mülleimer zugeht, zeigt: Wels ist genau da, wo er hin will. Er untersucht den Inhalt mit dem Ende seiner Malerrolle. Zwischen weggeworfenen Brottüten, Bananenschalen und zerknüllten Verpackungen entdeckt er das, wofür er hier ist. Eine leere Dose.
Friedhelm Wels ist immer in Action
00:26 Min.. Verfügbar bis 06.10.2026.
Seit fast 70 Jahren sammelt der Rentner Pfandflaschen. Viele Menschen, die Pfand sammeln, bessern damit ihren Lebensunterhalt auf. Wels aber sammelt nicht für sich selbst. "Ich bin 1955 mit 17 Jahren bei meiner Arbeit an eine Starkstromleitung gekommen. Dadurch bin ich sehr krank geworden, war fünf Jahre in Kliniken. Aus Dankbarkeit, dass ich das überlebt habe, habe ich mir vorgenommen, 10 D-Mark an eine Hilfsorganisation zu spenden." Er beginnt, Bierflaschen in den Krankenhausparks zu sammeln und erwirtschaftet so seine erste Spende. Sie geht an das damals erste SOS-Kinderdorf in Österreich. Seitdem sammelt er Pfand. Am liebsten Dosen und Plastikflaschen. Bierflaschen nimmt er nicht so gern mit, die sind ihm zu schwer und bringen nur 8 Cent pro Flasche.
Pfandsammler Friedhelm Wels spendet enorme Summe
Nachdem Wels die Dose aus dem Eimer gefischt hat, steckt er sie in eine der beiden Plastiktüten. Jetzt, während der ersten großen Pause, bringen ihm einige Schüler und Schülerinnen ihre Pfandflaschen auch persönlich vorbei. Sie kennen den Rentner seit vielen Jahren. Mit seiner offenen und direkten Art kommt er mit ihnen leicht ins Gespräch. Oft hat er ein paar Süßigkeiten oder kleine Geschenke dabei. Als Dankeschön für die Hilfe.
Bei den Schülern ist Friedhelm Wels sehr bekannt
00:14 Min.. Verfügbar bis 06.10.2026.
Jede Dose und jede Flasche, die er in seine Tüte steckt, sind 25 Cent für den guten Zweck. Zumindest, seit 2003 das Einwegpfand eingeführt wurde. Friedhelm Wels hat schon lange zuvor angefangen zu sammeln, damals blieben ihm nur die Glasflaschen. Er schätzt, dass er in den vergangenen 70 Jahren gut 30.000 Euro ersammelt und an verschiedene Projekte gespendet hat. Das Meiste davon ging an die Bochumer Suppenküche, wo er selbst auch ein Mal pro Woche essen geht.
"Ich habe Liebe für 100 Jahre in meinem Herzen"
Wels ist gerade mit seinem silbernen Kleinwagen auf den Parkplatz der Suppenküche abgebogen. Neben ihm auf dem Beifahrersitz liegt ein gefüllter Plastikbeutel mit Pfand. Der 86-Jährige ist alleinstehend. Deswegen kommt er gern vorbei, um sich mit anderen Gästen zu unterhalten und sich einmal in der Woche nicht selbst um sein Mittagessen kümmern zu müssen. Und natürlich, um das gesammelte Pfandgeld zu übergeben. Nach dem Essen legt er 40 Euro auf den Tresen und lässt sich eine Quittung über die Spende ausstellen.
Friedhelm Wels spendet nicht nur an die Bochumer Suppenküche, sondern geht auch selbst dort essen
Damit es glatte Beträge werden, rundet er auch manchmal mit seinem eigenem Geld auf. Dabei ist seine Rente, wie bei vielen Senioren, nicht gerade üppig. Laut NRW-Sozialbericht waren 2022 etwa 17 Prozent der Menschen über 65 armutsgefährdet. Immer mehr beziehen zudem laut Arbeitsministerium Grundsicherung. Noch reicht seine Rente, sagt Wels. Daher käme es ihm nie in den Sinn, das Flaschenpfand für sich zu behalten. "Ich brauche kein Geld. Ich hab keine Zeit, das auszugeben. Ich bin doch den ganzen Tag unterwegs. Ich mache das gern und ich habe Liebe für 100 Jahre in meinem Herzen."
Friedhelm Wels ist mittlerweile Ehrenmitglied des VfL Bochum
Auch bei den Heimspielen des VfL Bochum ist der Rentner immer dabei. Er ist Ehrenmitglied und darf sogar an Mülleimern innerhalb des Stadions sammeln. Ein Privileg, das andere Flaschensammler nicht haben. Die Konkurrenz ist hier sehr groß. "Hier sind hunderte Pfandsammler. Häufig arbeiten sie zu zweit oder zu dritt. Da kann einer immer auf die abgestellten Taschen mit dem Pfand aufpassen. Ich bin alleine und schwerbehindert. Notgedrungen lasse ich meine Taschen also unbeaufsichtigt zurück." Häufig geht das gut, aber nicht immer. Sieben Mal hätten andere bereits seine mit Pfand gefüllten Taschen geklaut. "Da bin ich vier Stunden rumgelaufen, hab vier Stunden gesammelt und als ich wiederkam, waren meine Taschen alle weg."
Trotzdem lässt sich der 86-Jährige davon nicht abhalten. Er will weiter Flaschen sammeln. Und spenden. Für die Bedürftigen. Bis 90, schätzt er, sollte das kein Problem sein.
Über dieses Thema haben wir auch am 23.09.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Ruhr, 19.30 Uhr.