Kinderlachen hallt durch das geräumige, helle Wohnzimmer. Luisa rutscht auf ihrem Po über die bunte Spieldecke. Mit ihren kleinen Händen greift sie nach dem Spielzeug darauf. Ihr Blick wandert aufmerksam umher. Draußen ziehen graue Wolken über das Rheinland, doch hier drinnen im Haus ist es trocken, warm und sicher - Luisa geht es gut. Das liegt an Anja und Martin Stein, die neben der Kleinen sitzen. Die Steins sind Luisas Eltern auf Zeit. Luisa heißt dabei eigentlich anders. Ihre Name wurde verändert, um sie und ihre Privatsphäre zu schützen.
Ein Familienmitglied, aber nur vorübergehend
Sogenannte Bereitschaftspflegeeltern springen spontan für Monate oder sogar länger ein, wenn sich die leibliche Familie nicht um das Kind kümmern kann. So wie Luisa lebten im Jahr 2023 rund 26.350 Kinder und Jugendliche in Nordrhein-Westfalen bei Pflegefamilien. Die werden dringend gesucht, nicht nur in NRW.
Deutschlandweit fehlen jährlich laut Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien etwa 4000 Pflegefamilien. Der Sozialdienst Katholischer Frauen Köln sucht aktuell besonders Bereitschaftspflegeeltern. Die Mitarbeiter unterstützen auch die 36-jährige Anja Stein und ihren 38-jährigen Mann Martin.
Im Flur des Paars reiht sich an der Wand Familienfoto an Familienfoto. Die Steins haben auch eine dauerhafte Pflegetochter. Nicht nur sie, sondern auch Luisa ist auf fast jedem Foto zu sehen. Sie gehört voll und ganz dazu. Für wie lange, das wissen sie nicht. "Solange das Kind hier ist, ist es ein Familienmitglied, da machen wir keinen Unterschied. Ob das jetzt unser Dauerpflegekind ist oder unser Bereitschaftspflegekind, ist total egal."
Wenn das Telefon klingelt und ein Kind unmittelbar in eine Bereitschaftsfamilie gebracht werden muss, geht alles sehr schnell, erklärt Anja Stein. "Es wird gefragt: 'Geht es gerade? Passt es? Sind Sie bereit?' Man ist ja darauf eingestellt, dass dieser Anruf kommt. Dann kommt das Kind ins Haus und ist da." Zeit für ein vorheriges Kennenlernen bleibt nicht.
Pflegefamilie: Gratwanderung zwischen Lieben und Loslassen
Manche der Kinder haben in ihrem noch sehr jungen Leben schon viel mitgemacht. Das haben auch die Steins in der Vergangenheit gemerkt. Die Arbeit als Bereitschaftspflegeeltern ist für sie trotz der Herausforderungen erfüllend. Sie wollen deshalb anderen Paaren Mut machen. "Dieses kategorische Ausschließen von 'Ich kann das nicht' finde ich schade. Ich glaube, dass sich viele einfach mehr mit dem Thema auseinandersetzen müssen. Und dass die ganze Gesellschaft ein bisschen mehr an andere denken sollte als an sich selbst."
Teil des Konzepts der Bereitschaftspflegefamilie ist es, dass das Kind den Kontakt und die Bindung zur leiblichen Familie nicht verliert. Denn es steht noch nicht fest, ob Luisa zu ihrer leiblichen Familie zurückkehren wird oder einen Platz in einer Dauerpflegefamilie bekommt. Anja und Martin Stein finden es wichtig, dass Luisa wöchentliche Treffen mit ihrer leiblichen Mutter hat.
Luisa hat auf dem Boden eine rote Tomatenscheibe aus Holz entdeckt. Anja Stein reicht ihr das Spielzeug und lächelt. Dass Luisa nicht bei ihnen bleibt, war dem Paar von Anfang an klar. "Zu sagen, dass wir das ganz professionell von uns schieben könnten, wäre gelogen. Das tut weh, aber es funktioniert. Wir werden ja auch begleitet und können das immer besprechen." Auch der Ablöseprozess, also die Rückkehr zur leiblichen Familie oder der Übergang in eine Dauerpflegefamilie, wird vom Sozialdienst eng betreut. Doch bis es so weit ist und die kleine Luisa das Paar wieder verlässt, genießen die Steins die gemeinsame Zeit.
Über dieses Thema haben wir auch am 06.11.2024 im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Köln, 19.30 Uhr.