Wer war eigentlich Oma? Auf Spurensuche mit einer Ahnenforscherin
Stand: 25.06.2024, 16:52 Uhr
Etwas über die eigenen Vorfahren herauszufinden ist manchmal gar nicht so leicht, vor allem, wenn die Verwandten schon lange tot sind. Ehrenamtliche Ahnenforscher wie Ingrid Edelkötter aus Greven helfen dabei, Familiengeschichten aufzuarbeiten.
Von Hanna Makowka, Brigitte Lieb (Multimedia)
Sie haben sich getroffen, um ein großes Familienrätsel aufzuklären: Wer war die zweite Frau von Opa Bernhard, Stiefoma Anna Theresia? Wo hat die gebürtige Greverin gelebt?
Elisabeth Georges sitzt mit ihrer Nichte und ihrem Großneffen am Küchentisch. Es raschelt leise, als sie ein Foto aus einer kleinen Metallbox mit Blumenmuster rauskramt. Auf dem Tisch liegen ein dickes Fotoalbum und einige lose Fotos. Dass sie alle in schwarz-weiß aufgenommen wurden, zeigt, wie alt sie sein müssen. Familie Georges aus Münster ist es wichtig, mehr über die Stiefoma zu erfahren. Über die Kindheit und Jugend sowie die Mitte des Lebens von Anna Theresia weiß Stiefenkelin Elisabeth Georges kaum etwas. Nur, wie es zu Ende ging: "Ich wusste nur, dass sie 1916 den Opa geheiratet hat. Und wir wussten immer, dass sie in Hadamer von den Nazis umgebracht wurden. Das war alles."
Elisabeth Georges weiß nicht viel über ihre Stiefoma
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Gerade die Deportation in die Tötungsanstalt Hadamar will die Familie nicht vergessen. Im mittelhessischen Hadamer wurden von 1941 bis 1945 fast 15.000 Menschen ermordet. "Wenn ich höre, dass wir in der Familie ein direkt betroffenes Opfer des Nationalsozialismus hatten, dann will ich da einfach mehr erfahren", sagt Georges.
Ahnenforscherin soll helfen
Eine, die vorne anfängt, ist Ingrid Edelkötter. Die 59-Jährige ist eigentlich Buchhändlerin - aber in ihrer Freizeit geht sie als ehrenamtliche Ahnenforscherin auf Spurensuche. In den vergangenen sechs Jahren hat Edelkötter schon in mehr als 80 Fällen geholfen. Manchmal nur kurze Auskünfte, die innerhalb von einer Stunde erledigt sind, teilweise haben sich ihre Forschungen aber auch schon über Jahre gezogen. Dafür ist sie mittlerweile schon stadtbekannt. Edelkötter forscht im Heimatverein Greven. Dort gibt es ein ganzes Team, was sich mit Familiengeschichten beschäftigt.
Selbst zum Familienforscher werden
Viele Heimatvereine bieten Hilfe bei der Ahnenforschung an. Es gibt aber auch Vereine, die sich auf die Familienforschung spezialisiert haben. Dazu zählen u.a.:
Informationen findet man auch um das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen und die Stadtarchive. Kirchenbüchern können Informationen bieten zu Taufen, Hochzeiten oder Sterbeeinträgen, standesamtliche Urkunden geben Aufschluss über Heirats-, Geburts- und Sterbedaten.
Ein Stammbaum ist für Edelkötter ein Gerüst, das sie mit Geschichten füllen möchte. Dazu bedient sie sich verschiedenster Quellen, vom Geburtenregister über Kirchenbücher bis zu Todesanzeigen in der Zeitung. Und jetzt soll die Ahnenforscherin auch bei Familie Georges und Stiefoma Anna Theresia Licht ins Dunkle bringen. Bis zu 20 Stunden pro Woche verbringt sie damit, alte Dokumente zu durchsuchen und für Familien Informationen über Vorfahren zu beschaffen.
Was fasziniert Ingrid Edelkötter an der Familienforschung?
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In Edelkötters Zimmer stapeln sich die Bücher. Das wichtigste Werkzeug der Familienforscherin ist aber ihr Laptop. Viele Kirchenbucheinträge, Archivbestände und Todesanzeigen aus Zeitungen sind mittlerweile digitalisiert. Für die Ahnenforscherin ein Geschenk, denn so kommt sie schneller in die Recherche. Eine Herausforderung dabei: Personendaten unterliegen Schutzfristen. Angaben zur Geburt sind beispielsweise erst nach 110 Jahren öffentlich zugänglich.
Sowie bei Stiefoma Anna Theresia: Sie ist selbst in einer Patchwork-Familie aufgewachsen, stammte aus einer Bauernschaft bei Greven. Ihre Mutter ist früh gestorben, der Vater heiratet erneut. Anna Theresia wächst in einer Großfamilie auf. "Das hat ihr Leben wahrscheinlich sehr geprägt", erklärt Edelkötter. Zwischendurch arbeitet Anna Theresia als Haushälterin, lebt in einfachen Verhältnissen. Mit 45 heiratet sie dann einen Mann, der acht Kinder mit in die Ehe einbringt. "Da wiederholte sich ihre Geschichte", sagt Edelkötter.
Ahnenforscherin Ingrid Edelkötter übergibt alle gesammelten Infos
All das hat die Familienforscherin am Ende ihrer Recherchen für Georges aufgeschrieben und überreicht ihr einen dicken Papierstapel. Georges ist zufrieden: "Ich habe viel mehr Verständnis für die schwierige Situation dieser Frau", sagt sie, und will dieses Verständnis jetzt mit ihrer Familie teilen.
Über das Thema haben wir am 22.05.2024 auch im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit Münsterland, 19.30 Uhr.