Hajo Seppelt

WDR-Dopingredaktion

"Wir sind die Spielverderber"

Stand: 05.12.2014, 16:12 Uhr

Mit seinen Enthüllungen über systematisches und staatlich gefördertes Doping bei russischen Spitzensportlern hat WDR-Autor Hajo Seppelt für viel Aufruhr in der Sportwelt gesorgt. In der Dokumentation "Geheimsache Doping: Wie Russland seine Sieger macht" packen Sportler, Trainer und weitere Insider vor laufender Kamera aus. Im Interview spricht Hajo Seppelt über die Reaktionen aus aller Welt, weitere Enthüllungen, die Arbeit der WDR-Dopingredaktion und 18-Stunden-Tage im Schneideraum.

Sie sind dem Doping im Sport schon lange auf der Spur. Hat Sie das Ausmaß der Enthüllungen in diesem Fall besonders überrascht?

Hajo Seppelt: Das Ausmaß hat mich überrascht, die Strukturen nicht. Ich konnte mir schon denken, dass es die in bestimmten Ländern gibt, in denen die Kontrollmechanismen hinsichtlich der Dopingbekämpfung nicht so stark ausgeprägt sind. In Russland ist das so. Was mich überrascht hat, ist die offenbar starke staatliche Unterstützung. Und dass dort eine Reihe von Trainern und Medizinern beteiligt sind an diesem Betrugskomplott, diesem großen Vertuschungsapparat. Was mich indes sehr betrübt hat, dass dort Menschen im Sport offensichtlich wie Massenware betrachtet werden. Nach dem Motto: Wer sein Soll erfüllt hat, wird ausgemustert und dann kommt der Nächste. Das wirkt auf mich wie eine Art industrielle Produktion von Topathleten. Ohne darauf zu achten, dass menschliche Schicksale dahinter stehen.

Was sagen Sie zu den Reaktionen aus Politik, Sport und Medien?

Seppelt: Wenn wir kritisch über Doping berichten, gibt es immer viel Widerstand und ein Echo, das nicht immer nur positiv ist. Das sind wir gewohnt. Es gibt eine Menge Lobbyismus im Sport. Von Sportverbandsseite und von anderen Institutionen des Sports. Mitunter auch von Anti-Doping-Kämpfern, die sich auf den Schlips getreten fühlen. Natürlich auch Sportler und Trainer, weil das Thema Doping für die meisten ein Tabu-Thema ist. Wenn nicht darüber gesprochen wird, ist das eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten: Große Erfolge, Gewinnmaximierung, hohe Einschaltquoten im Fernsehen, gut verdienende Sponsoren. Wenn also nicht über Doping gesprochen wird, sieht man nur die Fassade des Sports. Die scheint aber viele zu faszinieren, deshalb gelten wir oft als die Spielverderber.

Dass es jetzt natürlich massive Reaktionen aus Russland gibt, damit musste und konnte man rechnen. Es hagelt erst einmal Dementis. Das ist ein Automatismus nicht nur in Russland. Aber wir haben nicht nur Anschuldigungen vorgelegt, sondern Beweise und Fakten. Und das ist glaube ich der Unterschied zu anderen Produktionen. Wir konnten nicht nur ein System beschreiben, sondern auch dessen Existenz beweisen. Aus dem westlichen Ausland, aber auch von vielen Funktionären sind auch für uns ungewöhnliche Reaktionen gekommen. Der Sportsoziologe Helmut Digel hat über den Film gesagt, er sei ein "Mahnmal". Der Mann ist auch im Leichtathletik-Weltverband führender Funktionär. Insofern eine erstaunliche Bemerkung.

Die ARD-Sportschau und sport inside werden am Wochenende weiter berichten. Gibt es dort weitere Erkenntnisse und wollen Sie weiter zum russischen Doping recherchieren?

Seppelt: Es wird noch neue Erkenntnisse geben, weil wir in der Dokumentation gar nicht alles unterbringen konnten. Und es ist auch nicht ausgeschlossen, dass wir auch in den nächsten Wochen noch weiter darüber berichten werden, weil es einfach insgesamt eine Fülle an Belegmaterial gibt. Es sind klare Fakten. Da wir vieles davon ja auch schon in der Doku gezeigt haben, ist es schon erstaunlich, wenn nun einige Personen aus dem russischen Sprachraum behaupten, wir würden Lügen verbreiten. Uns liegen sämtliche Audio- und Videodokumente und viele weitere Belege vor.

Wie lief die Zusammenarbeit der WDR-Dopingredaktion?

Seppelt: Redakteur Jochen Leufgens hat sehr zur Dramaturgie dieses Films beigetragen. Und in der entscheidenden Phase war unsere russischsprachige Mitarbeiterin Olga Sviridenko eine große Unterstützung, denn ich spreche kein Russisch.

Hand aufs Herz: Solch umfangreiche Recherchen gehen doch sicherlich an die persönliche Substanz?

Seppelt: Das war schon eine Mammutaufgabe, natürlich auch für die anderen Beteiligten an dem Projekt. So etwas ist schon sehr anstrengend. Das Ganze zog sich über ein Dreivierteljahr, verbunden mit vielen Reisen. Wir haben teilweise bis zu 18 Stunden im Schneideraum verbracht, damit alles juristisch wasserdicht ist und mit der Übersetzung alles stimmt. Jedes Detail haben wir von allen Seiten beleuchtet und haben deshalb das Gefühl, sehr korrekt mit dem Beweismaterial umgegangen zu sein.