"Mich berührt die Gastfreundschaft der Menschen"

Stand: 07.12.2016, 16:52 Uhr

Fünf Tage lang recherchiert Funkhaus Europa auf Lesbos – der Insel, über die 2015 jeder zweite Flüchtende nach Europa gelangte. Am Donnerstag, den 8. Dezember, berichtet das Team in einer vierstündigen Sondersendung live von der griechischen Insel.

Jeder zweite Flüchtende, der 2015 nach Europa kam, landete nach Angaben des UNHCR zunächst auf Lesbos. Die Menschen waren zuvor in meist kleinen Booten in der Türkei gestartet. Mit dem EU-Türkei-Deal ist diese Route so gut wie geschlossen. Während in Ankara Präsident Erdogan droht, das Abkommen platzen zu lassen, nehmen auch auf Lesbos die Spannungen zu. Für die Geflüchteten sind die Camps auf der griechischen Insel vorerst Endstation.

In diesem Zusammenhang sendet Funkhaus Europa am Donnerstag, den 8. Dezember 2016, von 14 bis 18 Uhr eine Sondersendung. Das arabisch und griechisch sprechende Funkhaus-Europa-Team ist fünf Tage lang auf Lesbos vor Ort, um auch jenseits der Sondersendung von der griechischen Insel zu berichten – im Radio und online. Wir haben mit den beiden Moderatoren Marwa Eldessouky und Ioannis Skouras über ihre Zeit auf der Insel und die Sendung gesprochen.

Was haben Sie bis jetzt auf Lesbos gesehen und erlebt? Wie ist die dortige aktuelle Situation?

Marwa Eldessouky: "Bislang waren wir im Flüchtlingscamp Kara Tepe. Das Camp wird von der Gemeinde betrieben und gilt als ein Vorzeige-Camp. Die Menschen wohnen in befestigten Zelten, und was sofort auffällt: Es ist sehr sauber. Der Leiter von Kara Tepe nennt das Camp 'sein Dorf'. Denn wenn die Menschen mehrere Monate hier verbringen, seien sie keine Gäste mehr. Dennoch erinnert mich das alles eher an einen Zeltplatz mit Duschen und Toiletten für alle."

Ioannis Skouras: "Es ist alles andere als ein Luxushotel. Kaum waren wir angekommen, fiel der Strom aus. Mich persönlich hat überrascht, wie viele Helfer aus ganz Europa auf Lesbos die Flüchtlinge unterstützen. In unsere Live-Sendung haben wir einen jungen Mann aus Köln eingeladen, der für zwei Monate Flüchtlingskinder in Kara Tepe betreut."

Was erwartet die Zuschauer in der vierstündigen Sondersendung noch?

Ioannis Skouras: "Wir wollen zeigen, wie sich die Insel verändert hat, seit vor einem Jahr täglich mehrere tausend Menschen von der Türkei aus über Lesbos nach Europa kamen. Dafür haben wir mit dem Bürgermeister gesprochen, mit Restaurantbesitzern und Geschäftsleuten auf Lesbos. Denn die Insel lebt hauptsächlich vom Tourismus."

Marwa Eldessouky: "Und wir sprechen mit Geflüchteten. Wir haben eine Gruppe Kinder und Jugendliche zu uns ins Studio eingeladen, die im Flüchtlingscamp Kara Tepe gemeinsam musiziert. Außerdem haben wir die Geflüchteten nach der Musik gefragt, die sie auf ihrer Flucht begleitet, und wir spielen ihre Playlist, ihre Global Sounds."

Wie nah geht Ihnen das Ganze? Wie gehen Sie mit dem um, was Sie vor Ort sehen?

Marwa Eldessouky: "Mich berührt die Gastfreundschaft der Menschen auf Lesbos. Vor einem Café habe ich ein Schild gesehen, auf dem auf Arabisch steht "Wir haben arabische Süßigkeiten". Die Verkäuferin sagte mir: 'Das hat mir ein Syrer übersetzt, damit es alle verstehen.' Gleichzeitig schwingt jedoch immer die Sorge mit, dass erneut tausende Menschen von der Türkei nach Lesbos kommen könnten."

Ioannis Skouras: "Viele auf Lesbos nehmen die Drohung des türkischen Präsidenten Erdogan sehr ernst, das Abkommen mit der EU aufzukündigen. Momentan sind etwa 6.000 Geflüchtete auf Lesbos. Für sie ist die Insel, die als Tor Europas galt, zur Sackgasse geworden. Sie müssen sich nämlich erst registrieren lassen und auf ihre Papiere warten, bevor sie weiterreisen dürfen oder abgeschoben werden. In Griechenland kann das Monate dauern. 'Unsere Kräfte gehen langsam zu Neige', hat uns der Bürgermeister von Lesbos gesagt, nicht aber die Bereitschaft zu helfen."