Leonard Slatkin

Russische Rhapsodien

Stand: 15.03.2017, 13:29 Uhr

Russische Komponisten, italienisch inspiriert – Leonard Slatkin, amerikanischer Dirigent mit russischen Wurzeln, wird gemeinsam mit dem WDR SINFONIEORCHESTER KÖLN und dem Pianisten Kirill Gerstein für reichlich Abwechslung und neue Blickwinkel sorgen.

"Meine ganze Familie beiderseits kam aus Russland, und die meisten von ihnen waren Musiker. Diese Musik liegt mir also von Kindheit an im Blut." Leonard Slatkin bewegt sich auf vertrautem Terrain: Für das Konzert "Russische Rhapsodien" hat er jeweils zwei Werke von Tschaikowskij und Rachmaninow ausgesucht; allen Kompositionen gemeinsam ist, dass sie von italienisch-mediterranen Sujets inspiriert sind. Den Anfang macht Tschaikowskijs "Capriccio Italien". Für Slatkin trotz des Titels eindeutig russisch: "Man wird dieses Stück niemals für ein Werk von Verdi oder irgendeinem anderen italienischen Komponisten halten. Auch wenn es von diesem Land handelt, macht es die Orchestrierung doch unverkennbar russisch." Tschaikowskij entwarf das Capriccio, in dem er italienische Volkslied-Melodien verarbeitet, während eines Romaufenthaltes.

"Göttliche Komödie"

Einer der ganz großen Meilensteine der Weltliteratur war die Inspiration zum zweiten Tschaikowskij-Werk des Abends: Dantes Göttliche Komödie, auch zu Zeiten des Komponisten schon einige Jahrhunderte alt. Die von Tschaikowskij gewählte Szene schildert die unglückliche Liebe einer Patriziertochter aus Ravenna zum Bruder ihres Ehemannes, der beide auf frischer Tat ertappt und ermordet. Für Slatkin hat es aber keinen Sinn, in der Komposition eine direkte Umsetzung der Handlung zu suchen: "Tschaikowskij hatte offensichtlich Freude daran, literarische Werke zu interpretieren und in Orchesterfantasien umzusetzen. Ich glaube nicht, dass er wirklich eine Geschichte erzählen will; er nutzt die zentralen Figuren als Sprungbrett für dieses erstaunliche Stück."

Von vielen westlichen Kritikern als Komponist immer noch nicht voll anerkannt wird Sergej Rachmaninow – die Rhapsodie über ein Thema von Paganini ist für Leonard Slatkin Grund genug, das ganz anders zu sehen: "Ich halte die Rhapsodie für eines der am perfektesten konstruierten Werke der Musikliteratur. Es ist kein Konzert, sondern eher ein Orchesterstück mit prominentem Klavierpart. Als Rachmaninow dieses Stück schrieb, war er ein Meister der Orchestrierung, und in dieser Beziehung sehr dem 20. Jahrhundert verbunden." Neben dem Paganini-Thema finden sich in den Variationen auch immer wieder Anklänge an das "dies irae"-Motiv der Totenmesse; Rachmaninow selbst beschrieb das Programm des Werks: Der Legende nach verkaufte der große Geiger seine Seele an den Teufel, um noch mehr Perfektion auf seinem Instrument und die Liebe einer Frau zu erlangen. Das "dies irae"-Motiv steht für den Teufel, das Paganini-Thema für den komponierenden Geiger, hier oft vom Klavier repräsentiert.

"Die Toteninsel"

Auch in Rachmaninows Sinfonischer Dichtung "Die Toteninsel" taucht wieder das "dies irae"-Motiv auf – naheliegend angesichts der Vorlage, der gleichnamigen Bildersammlung von Arnold Böcklin. Die morbide Szenerie zeigt eine zypressenbestandene Insel, der sich ein Todgeweihter im Boot nähert. Slatkin zählt auch dieses Stück zu seinen Favoriten: "Für mich ist das ein zu Unrecht vernachlässigtes Werk, noch immer nicht oft zu hören. Ich liebe es sehr. Man muss die Bilder nicht gesehen haben, um die düstere Welt zu verstehen, die Rachmaninow beschreibt. Den 5/8-Takt zu verwenden, um die trostlose Szene darzustellen, ist ein absoluter Geniestreich."

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