Portrait von Bergit Fesenfeld

Interview mit Bergit Fesenfeld

Alles was den Kindern nutzt, nutzt der ganzen Welt

Kinder sind keine kleinen Erwachsene. Das entschied 2010 das Bundesverfassungsgericht, als es um die Neuberechnung der ALG 2 Sätze ging. Kinder haben Rechte, und laufen nicht einfach nur so bei den Erwachsenen mit. Kinderrechte sind durch eine UN-Konvention abgesichert.

Neugier genügt sprach zum Auftakt des zehnten WDR Preises für die Rechte der Kinder mit WDR Redakteurin Bergit Fesenfeld. Sie kümmerte sich seit 1996 Jahren um den Preis.

Neugier genügt: An welchen Punkten macht es sich bemerkbar, dass Kinderrechte nicht beachtet werden?

Bergit Fesenfeld: Das fängt an bei Armut und Krieg, Ausbeutung und Kinderarbeit. Da würden die meisten Menschen erst einmal sagen: das ist weit weg in den Entwicklungsländer. Bei uns ist doch alles prima! Aber in Deutschland hakt es an vielen Stellen.

Wir haben hier immer noch ein Schwere zwischen Kindern, die an der Armutsgrenze oder darunter leben, und den reichen, sehr gut geförderten Kindern. Wir haben hier immer noch eine Diskriminierung von Ausländer- und Flüchtlingskindern.

Neugier genügt: Was beinhaltet die UN-Kinderrechte-Konvention?

Fesenfeld: Das ist ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen. Darin werden die Rechte der Kinder festgelegt. Das Recht auf Schutz vor Gewalt, Ausbeutung, Kinderarbeit. Das Recht auf Förderung von Entwicklung, von Gesundheit, von Begabung. Und auch das Recht auf Beteiligung. Es geht darum, die Kinder ernst zu nehmen. Redet mit ihnen und nicht über sie. Diese UN-Konvention ist das am meisten ratifizierte Abkommen überhaupt. Bis auf Somalia und die USA haben es alle Länder der Welt unterschrieben.

Aber die Schere zwischen Theorie und Praxis geht weit auseinander. Wir haben festgestellt, dass noch eine ganze Menge zu tun ist. Wir haben aber auch festgestellt, dass seit wird den Preis machen, sich schon etwas bewegt hat. Das Wort "Kinderrechte" ist jetzt nicht mehr ein Fremdwort, wie es 1996 noch war.

Neugier genügt: Woran merken Sie, dass sich etwas in Sachen Kinderrechte bewegt hat?

Fesenfeld: Zum einen gibt es immer mehr Kinderbüros und Kinderparlamente. Es gibt ein paar neue Gesetze, die es früher nicht gab, wie das Recht auf gewaltfreie Erziehung. Oder das Kinder aus unehelichen Beziehungen die gleichen Rechte habe wie Kinder aus ehelichen.

Es hat sich etwas getan. Das heißt aber nicht, dass wir auf der Ziellinie wären. Wir müssen weiter machen. Alles was den Kindern nutzt, nutzt der ganzen Welt. Bei sehr vielen Themen stecken die Kinderrechte drin, wo man sie auf den ersten Blick nicht vermutet. Ob soziale Sicherungssysteme, Umweltschutz, EU-Erweiterung, welches Thema auch immer: die von Erwachsenen getroffenen Entscheidungen haben auch immer Auswirkungen auf die nachwachsende Generation.

Neugier genügt: Kinderrechte sind also ein Querschnittsthema?

Fesenfeld: Es geht nicht nur um Kindergartenplätze und vernünftige Schulen - das natürlich auch. Aber es geht weit darüber hinaus. Es ist eigentlich das Thema, um nachhaltige Entwicklung zu beobachten. Welche Entscheidungen treffen wir? Welche Auswirkungen hat das für die Kinder heute und für die nachfolgenden Generationen?

Das Interview führte Elif Şenel