Tektomechanik statt Fracking?

Wenn am Schreibtisch nach Erdgas gesucht wird

Stand: 07.01.2015, 12:00 Uhr

Wird Tektomechanik eine Alternative zum höchst umstrittenen Fracking? Unternehmen aus NRW wollen jedenfalls jetzt chemiefrei nach Erdgas in Bergbaugegenden bohren. Im Herbst soll es eine erste Probebohrung im Raum Hamm geben.

Was passiert bei der Tektomechanik?

Zunächst ist das eine reine Schreibtischsuche. Sie greift auf vorhandene Informationen aus dem Bergbau zurück, mit denen nach lockeren Gesteinsschichten im Umfeld von nicht abgebauten Kohleflözen gesucht werden kann. Wenn ergiebige Gasvorkommen errechnet sind, werden die Felder mit herkömmlichen Bohrungen überprüft. Das Gas kann ebenfalls auf diese Weise gefördert werden.

Welches Gas soll durch Tektomechanik aufgespürt werden?

Es geht um Gas aus unberührten Kohleflözen, das in porösem Gestein steckt. Nicht zu verwechseln mit dem Gas aus Kohlegruben, das beim Abbau entsteht und zur Vermeidung von Unfällen abgesaugt wird. Wo bereits der Bergbau das Gestein gelockert hat, fördern Unternehmen wie der Energiekonzern Steag beispielsweise schon jetzt das Grubengas. Es tritt aber zu unregelmäßig auf, um wirklich nachhaltig genutzt werden zu können.

Was ist der Unterschied zum Fracking?

Wasser wird mit Hochdruck in den Boden gepumpt

Wasser wird beim Fracking mit Hochdruck in den Boden gepumpt

Mit der Fracking-Methode wird Erdgas aus Schiefertonformationen, Kohleflözen und dichtem Sandstein gewonnen. Dabei wird das Gestein in 1.000 bis 5.000 Metern Tiefe durch ein flüssiges Gemisch aus Sand, Wasser und Chemikalien mit hohem Druck aufgebrochen ("gefrackt"). Durch Risse kann Gas entweichen und über Bohrrohre nach oben gelangen. Das Verfahren ist umstritten, weil dabei eingesetzte Chemikalien ins Grundwasser gelangen könnten.

Wie groß ist die Hoffnung, dass sich durch Tektomechanik die Fracking-Diskussion erledigt?

Nicht so groß, sagt WDR-Energieexperte Jürgen Döschner: "Es ist zu früh, um das Potenzial abschätzen zu können. Es ist eine Angelegenheit mit zu vielen Fragezeichen." Bisher fanden alle Analysen am Schreibtisch statt, jetzt soll zunächst die Theorie zur Praxis werden. Noch in diesem Jahr soll die erste Aufsuchungs-Bohrung zeigen, ob das technisch so umgesetzt werden kann. Im nächsten Jahr ist eine zweite Bohrung geplant. Aber selbst wenn sich die Methode als tauglich erweist, darf nicht vergessen werden: Auch konventionelle Gasförderung ist mit Belastungen verbunden, beispielsweise durch frei werdendes Methan. Möglicherweise könnte sogar dort gebohrt werden müssen, wo bisher noch keine Förderanlagen in der Landschaft stehen.

Was versprechen sich die Unternehmen von der Tektomechanik?

Logo: Stadtwerke Hamm

Die Stadtwerke Hamm sind am Energieunternehmen HammGas beteiligt

Hält die Praxis, was die Suche am Schreibtisch verspricht, soll Erdgas aus etwas 1.000 Metern Tiefe gefördert werden, ohne dass Chemikalien zum Einsatz kommen. Den Verzicht auf Fracking-Methoden muss das Konsortium der Genehmigungsbehörde schriftlich zusichern. Die Vorkommen sollen etwa 20 bis 30 Jahre für die Versorgung des Großraums Hamm reichen. "Von den 100 Milliarden Kubikmetern Gas sind 10 Milliarden Kubikmeter förderbar", sagt ein Unternehmenssprecher.

Wie steht die NRW-Landesregierung zur neuen Methode?

Grundsätzlich bestehen keine Bedenken gegen Tektomechanik, heißt es von Seiten der Landesregierung. Für die Bohrungen müssen allerdings jeweils bei der Bergbaubehörde Anträge gestellt werden. Beim Fracking stehen dagegen die Zeichen in Düsseldorf weiter auf Stopp, stellt Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) klar: "Solange ich in Nordrhein-Westfalen Ministerpräsidentin bin, wird es hier kein Fracking für die unkonventionelle Erdgasförderung geben. Für mich ist völlig klar, dass Fracking mit gravierenden ökologischen Folgen in unseren dicht besiedelten Regionen nicht verantwortbar wäre."

Liegt NRW damit auf einer Linie mit der Bundesregierung?

Bohrstelle Lünne 1: Eine Probebohrung der ExxonMobil Production Deutschland, auf der Suche nach Erdgas im Emsland

Probebohrung der ExxonMobil, auf der Suche nach Erdgas im Emsland

Nein, denn in Berlin bahnt sich ein Kompromiss zum Fracking an. Nach wissenschaftlich begleiteten Probeprojekten könnten Konzerne ab 2019 auf die kommerzielle Ausbeutung von Vorkommen in Schiefer- und Kohleflözgestein hoffen - aber erst nach einem komplizierten Genehmigungs-Hürdenlauf. Für Trinkwasser- und Naturschutzgebiete soll es ein Komplettverbot geben. Experten rechnen daher nur mit einer sehr begrenzten Förderung. Technisch und wirtschaftlich förderbar hält der Energiekonzern Exxonmobil in Deutschland unter Bezug auf die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) bis zu 2,3 Billionen Kubikmeter, das etwa 200-fache der derzeitigen Jahresproduktion.