Rot-Grün vor Koalitionsverhandlungen

Jetzt bloß nicht streiten

Stand: 14.05.2012, 17:43 Uhr

Nach dem satten Sieg bei der Landtagswahl (13.05.2012) steht Rot-Grün vor den Koalitionsverhandlungen. Sowohl bei SPD als auch bei den Grünen gilt die Devise Füße stillhalten. Voreilige Verteilungskämpfe und Ministerposten-Geschacher soll es nicht geben.

Von Jenna Günnewig

Im Landtag muss man am Montagmorgen (14.05.2012) noch vorsichtige Schlangenlinien laufen. Die Wahlstudios werden mit viel Getöse abgebaut, überall stehen Leitern, Kisten, Kabeltrommeln im Weg. Während im Foyer noch die technischen Überreste der Landtagswahl entfernt werden, planen SPD und Grüne in der aufgeräumten Landespressekonferenz schon die gemeinsame Zukunft. Die sieht ziemlich rosig aus: Rot-Grün kommt auf eine satte Mehrheit von 128 Sitzen - 109 teilen sich CDU, FDP und die Piraten.

"Sonntag war Feiertag, jetzt geht die Arbeit los", kündigt SPD-Wahlkampfmanager Michael Groschek an. Er und der bisherige Fraktionschef Norbert Römer wirken bei der ersten Pressekonferenz nach der Wahl entspannt, fröhlich und erstaunlicherweise wenig verkatert. "Versprochen und gehalten", dieses Prinzip habe die Wähler überzeugt und zu den satten Mehrheiten der Sozialdemokraten geführt. Die SPD sei nun eindeutig wieder die Nummer eins in NRW.

Koalitionsverhandlungen - ohne lange Sondierung

Klar ist auch: Rot-Grün geht weiter. Der Fahrplan für Koalitionsverhandlungen werde jetzt zeitnah abgestimmt, so Groschek. Themen für Koalitionsverhandlungen seien beispielsweise die Westdeutsche Landesbank, der Haushalt und das Klimaschutzgesetz. Bei den Verhandlungen gehe es aber um einen "reinen Arbeitsprozess". Der alte Koalitionsvertrag soll als Grundlage dienen. Ein paar Punkte würden als "erledigt" rausgestrichen - zum Beispiel die Abschaffung der Studiengebühren und der Schulkonsens.

Laut dem Grünen-Vorsitzenden Sven Lehmann sind ohnehin keine langen Sondierungsgespräche nötig. Man kennt und schätzt sich. Deswegen wollten SPD und Grüne noch in dieser Woche in die Verhandlungen einsteigen. Einen festen Termin gibt es noch nicht. Die Verhandlungen sollten aber so zeitig abgeschlossen werden, dass der Haushalt 2012 noch vor der Sommerpause wieder in den Landtag eingebracht werden könne, plant Groschek. Die Landesvorsitzende der Grünen, Monika Düker, nannte als vordringliche Themen die Umsetzung der Energiewende und die Einhaltung der Schuldenbremse 2020.

Keine voreiligen Verteilungskämpfe

Harmonie-Hemmer könnte aber das unterschiedliche Abschneiden der beiden Parteien sein: Die Sozialdemokraten erzielten 39,1 Prozent der Stimmen, das entspricht einem Zuwachs von 4,6 Punkten. Die Grünen verloren - nach 12,1 Prozent im Jahr 2010 - leicht mit nun 11,3 Prozent. Ändert das etwas am rot-grünen Kräfteverhältnis in Koalition und Kabinett? Beide Parteien würden davon profitieren, wenn man jetzt nicht auf die Prozente hinter dem Komma schauen würde, beeilte sich Grünen-Chefin Monika Düker die Frage zu entkräften. In der bisherigen Minderheitsregierung stellten die Grünen drei Ministerposten: für Schule, Umwelt und Gesundheit. "Wir halten an unseren drei Ministern fest", macht Düker deutlich. Müssen die Grünen dann vielleicht auf einen Staatssekretär verzichten? Schweigen, dann ein ausweichendes "alles Weitere werden wir sehen."

Auch die SPD blockt erst mal, wenn sie auf mögliche Änderungen im Kabinett angesprochen wird. "Viel zu früh!" schiebt Groschek den möglichen Ärger von sich weg. Im Kabinett seien doch kaum große Veränderungen nötig, nach der erfolgreichen Arbeit, die man in den 20 Monaten gemeinsam geleistet habe. Auch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft verschiebt eine mögliche Umbildung des Kabinetts - vorerst. "Die gibt es erst am Ende der Koalitionsverhandlungen", so Kraft. Sie teilt zudem die optmistische Zeitplanung der Grünen nicht: "Diese Woche? Schafffen wir nicht." Erst Anfang nächster Woche werde man sich wahrscheinlich zum ersten Mal zusammen setzen.

Römer: "Mein Platz ist in der Fraktion"

SPD-Fraktionschef Norbert Römer

Römer: Einziger SPD-Spitzenpolitiker, der es nicht in den Landtag geschafft hat

Die SPD hat zudem noch das Römer-Dilemma. Seinen Wahlkreis Soest I konnte der ehemalige Fraktionschef Norbert Römer gegen den beliebten Ex-Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) nicht gewinnen. Zwar war Römer, gleich hinter Hannelore Kraft, auf Listenplatz zwei vermeintlich abgesichert. Die SPD gewann aber zahlreiche Wahlkreise direkt und erhielt deutlich mehr Mandate als ihr nach dem Ergebnis der Zweitstimmen von rund 39 Prozent zustünden. Deswegen zieht nun gar kein SPD-Abgeordneter über die Liste in den Landtag. Römer, der seine Wahlkreis nicht direkt holte, ist nun der einzige SPD-Spitzenpolitiker, der die Wiederwahl in den Landtag nicht geschafft hat.

"Mein Platz ist in der Fraktion", betont Römer dennoch am Montag (14.05.2012). Er gehe davon aus, Abgeordneter zu bleiben und schiebt ein Kryptisches: Man werde "die personellen Spielräume, die es noch geben kann und geben wird, nutzen". Rückendeckung erhielt der ehemalige Fraktionschef auch noch von ganz oben: "Das werden wir ganz in Ruhe angehen. Römer wird Bestandteil unserer Fraktion sein", macht Hannelore Kraft noch am Montagnachmittag in der SPD-Parteizentrale deutlich. Im Klartext heißt das: Ein SPD-Kandidat wird wahrscheinlich zugunsten Römers auf sein Direktmandat verzichten müssen. Wer da wohin weg befördert wird, blieb noch offen.