"Stern": Blogger für Wahlhilfe belohnt

Staatskanzlei bestreitet Dankeschön-Aufträge

Stand: 09.05.2012, 19:09 Uhr

Wird es im NRW-Wahlkampf auf der Zielgeraden doch noch schmutzig? Wie der "Stern" berichtet, sollen die NRW-Staatskanzlei und das SPD-geführte Familienministerium "Dankeschön-Aufträge" an eine PR-Agentur vergeben haben. Die Agentur gehört laut "Stern" einem Blogger, der im Wahlkampf 2010 mehrere CDU-kritische Beiträge verfasst hat. Die Staatskanzlei wies die Vorwürfe zurück.

Von Rainer Kellers

Im Landtagswahlkampf 2010 spielte das Blog "Wir in NRW" eine wichtige Rolle. Angefüttert offenbar durch Insider berichtete das Blog vor der Wahl mehrmals über peinliche Interna aus der CDU. So wurden zum Beispiel die so genannte Video-Affäre öffentlich und die nicht gezahlten Parteimitgliedsbeiträge der damaligen Landtagspräsidentin Regina van Dinther. Die Veröffentlichungen schadeten der CDU erheblich und dürften mit dazu beigetragen haben, dass die Wahl verloren ging.

Wer verbirgt sich hinter Theobald Tiger?

Wer hinter den Bloggern von "Wir in NRW" steckt, ist bis heute ein Geheimnis. Namentlich in Erscheinung tritt lediglich der Betreiber des Blogs, Alfons Pieper, früher stellvertretender Chefredakteur bei der "WAZ". Alle anderen Autoren veröffentlichen unter Pseudonym, unter anderem ein gewisser Theobald Tiger, einer der Hauptautoren. Der "Stern" will nun enttarnt haben, wer sich hinter diesem von Tucholsky entlehntem Namen verbirgt: ein Journalist nämlich, der nach dem Regierungswechsel 2010 eine PR-Agentur gegründet hat. Und diese PR-Agentur, schreibt der "Stern", habe seither fünf lukrative Aufträge vom SPD-geführten Familienministerium erhalten. Als Dankeschön für die CDU-kritischen Berichte, behauptet der Stern. Auch die Staatskanzlei soll laut "Stern" einen PR-Auftrag an eine - andere - Agentur vergeben haben, bei der es Verbindungen zu "Wir in NRW" gebe.

Staatskanzlei: "Alle Aufträge ordnungsgemäß ausgeschrieben"

Die Staatskanzlei beeilte sich am Mittwoch (09.05.2012), die Vorwürfe zu dementieren. Richtig sei, dass das Familienministerium die fünf Aufträge an besagte Agentur vergeben habe. Es handele sich dabei um verschiedene PR-Broschüren, unter anderem für die Frauen-Fußball WM 2011 in Deutschland. Der Auftragswert liege bei insgesamt über 300.000 Euro. Allerdings wies Regierungssprecher Thomas Breustedt den Verdacht zurück, diese Aufträge seien Dankeschön-Aufträge gewesen. Alle Aufträge seien ordnungsgemäß ausgeschrieben worden, und über die Vergabe sei nach den üblichen Kriterien entschieden worden. In den fünf Fällen habe die besagte Agentur das "beste und wirtschaftlichste" Angebot vorgelegt und deshalb den Zuschlag bekommen. Das Ministerium und die Staatskanzlei seien mit der abgelieferten Arbeit sehr zufrieden. Im Übrigen, so Breustedt, habe die Agentur sich auch auf andere Ausschreibungen auch von anderen Ministerien beworben und da nicht den Zuschlag bekommen.

Blog nennt "Stern"-Bericht "lächerlich"

Ob der Inhaber der Agentur tatsächlich Theobald Tiger sei, wisse er nicht, sagte Breustedt und warnte gleichzeitig davor, den Stern-Bericht als Beweis dafür anzusehen. Bei der Auftragsvergabe sei ein möglicher Zusammenhang zwischen der Agentur und "Wir in NRW" nicht bekannt gewesen. Die Verbindung, die der "Stern" zwischen dem Blog und der zweiten Agentur ziehe, könne Breustedt überhaupt nicht nachvollziehen.

Der Chef der PR-Agentur wollte auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa nichts über die Identität der Blogautoren sagen. Er fühle sich auch nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Journalismus an Informantenschutz und Vertraulichkeit gebunden. Die Unterstellung, er habe Dankeschön-Aufträge erhalten, sei "absurd". "Wir in NRW" veröffentlichte am Mittwoch keine eigene Darstellung zu den Vorwürfen. Bei Twitter schrieb das Blog jedoch: "Der Bericht [gemeint ist der "Stern"-Bericht, Anm. d. Red.] ist lächerlich. Der Blog hat zu keinem Zeitpunkt direkt oder indirekt Geld erhalten."

Kraft: "Lauter nicht belegte Unterstellungen"

Die Junge Union forderte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft am Mittwoch zu einer Stellungnahme auf. Die Enthüllungen "riechen nach einem handfesten Skandal". Regierungssprecher Breustedt konterte, die CDU wolle einen Schmutzwahlkampf führen. Kraft selbst schrieb am Abend bei Twitter: "Lauter nicht belegte Unterstellungen."