Rechte Kriminelle in NRW

Jäger: Neonazi-Straftäter gemeingefährlich

Stand: 26.03.2013, 12:56 Uhr

Die NRW-Polizei will den Rechtsextremisten ständig auf den Fersen sein. Auch vermeintlich unpolitische Straftaten von Neonazis sollen genau erfasst werden. Doch wie verlässlich und aussagekräftig sind die Polizeidaten? Experten sehen Nachbesserungsbedarf.

Von Martin Teigeler

In Nordrhein-Westfalen treibt eine Gruppe von rund 170 Neonazi-Intensivtätern ihr Unwesen. Dies geht aus der neuen Polizeistatistik 2012 zum Rechtsextremismus hervor, die Innenminister Ralf Jäger (SPD) am Dienstag (26.03.2013) in Düsseldorf vorstellte. "Das sind Täter, die nicht nur auf Ausländer einprügeln, sondern auch der Oma die Handtasche rauben", sagte der Minister und bezeichnete diese "Kriminellen" als "gemeingefährlich".

275 Körperverletzungen, ein Tötungsdelikt

Im vergangenen Jahr hat die Polizei laut Innenministerium 556 Rechtsextremisten insgesamt 1.387 Straftaten der sogenannten Allgemeinkriminalität nachgewiesen. Darunter waren ein Tötungsdelikt, 275 Körperverletzungen und 310 Diebstähle und Einbrüche. Bei dem Totschlags-Delikt hatte ein Rechtsextremist im März 2012 in Recklinghausen laut Medienberichten einen anderen Neonazi erschlagen. 31 politisch motivierten Bedrohungen und Nötigungen durch Rechtsextremisten sind bekannt geworden, dazu 107 gleiche Delikte ohne politischen Hintergrund. "Das zeigt, dass Rechtsextremisten eine Gefahr für unsere gesamte Gesellschaft sind", warnte Jäger. Neben der "normalen" Kriminalität kamen bei den Neonazis in NRW noch über 2.000 Propagandadelikte hinzu. Dazu zählen etwa Volksverhetzung, das Rufen von Nazi-Parolen sowie Hassverbrechen.

Insgesamt geht die NRW-Polizei von 800 gewaltbereiten Rechtsradikalen im Land aus. 600 Spezial-Ermittler kümmern sich um diese Personengruppe. Laut Jäger führte die intensive Verfolgung der Neonazis dazu, dass es von 2011 auf 2012 "keine Zuwächse" bei der rechtsextremen Kriminalität gegeben habe. Die Anfang 2012 eingerichteten Sonderkommissionen der Polizei in Aachen, Dortmund, Köln und Wuppertal arbeiten erfolgreich gegen die Rechtsextremisten. "Durch den hohen Ermittlungsdruck und das Verbot mehrerer rechtsextremistischer Gruppierungen in Dortmund, Hamm und Aachen haben wir große Löcher in das Netzwerk der Neonazis gerissen", sagte Jäger. Die Szene sei "geschwächt" und "kleiner" geworden.

Opfer-Beraterin fordert mehr Sensibilität

Claudia Luzar lächelt

Opferberaterin Claudia Luzar

Nach Bekanntwerden der Terrorgruppe NSU, die auch in NRW Mord- und Bombenanschläge begangen haben soll, hatte Jäger Ende 2011 die Bekämpfung des Rechtsextremismus verschärft. Das Land will seitdem besonders in Städten mit besonders aktiven Neonazi-Gruppen Präsenz zeigen. "Wir sind denen auf den Fersen", betonte Jäger am Dienstag. Dazu gehört auch die Vorgabe, jede einzelne Straftat von rechten Schlägern zu erfassen. Dortmund gilt als Hochburg der braunen Szene in NRW. Claudia Luzar leitet in Dortmund "BACK UP", eine Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt in Dortmund. "Wir spüren schon, dass die Polizei in Dortmund aktiver gegen Rechtsextremisten vorgeht." Allerdings könne die Anordnung für eine genauere Polizeistatistik nur ein Anfang sein. "Es bleibt noch viel zu tun", sagte Luzar zu WDR.de. Leider sei es so, dass Polizei und Justiz nach wie vor nicht immer den rechtsextremen Hintergrund von Straftaten feststellten. Polizeibeamte müssten deshalb besser geschult und vorbereitet werden.

Polizeivertreter weisen auf die Grenzen der Statistik hin. "Gerade bei Ersttätern, die beispielsweise einen Diebstahl begehen, können meine Kollegen kaum erfassen, ob es sich um einen Neonazi handelt", sagte Rolf Jaeger, stellvertretender Landesvorsitzender des Bundes der Kriminalbeamten. Es gebe eine Gruppe von "Mischtätern". Hier falle die Unterscheidung zwischen politischer und allgemeiner Kriminalität nicht so leicht. Gleichwohl sei es richtig, dass Straftaten von bekannten Neonazis sofort an die Staatsschutz-Abteilung der Polizei abgegeben werden. Früher sei es so gewesen, dass in den einzelnen Polizeidienststellen Delikte getrennt erfasst wurden. Nunmehr liege die Strafverfolgung von Neonazis bei der Polizei in einer Hand.

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