Nichtraucherschutzgesetz verabschiedet
SPD quält sich zum Rauchverbot
Stand: 29.11.2012, 17:50 Uhr
Wütende Reden, blanke Polemik und Abgeordnete, die gegen ihre Überzeugung verstoßen. Ergebnis: NRW hat ein neues Nichtraucherschutzgesetz. Ab Mai gilt ein beinahe lückenloses Rauchverbot in Kneipen und öffentlichen Gebäuden. Während die Grünen jubeln, hadern die Genossen mit sich selbst.
Von Rainer Kellers
Man stelle sich nur mal vor, was passiert wäre, wenn die SPD beim Nichtrauscherschutz keinen Fraktionszwang ausgeübt hätte: Das so lange und kontrovers diskutierte Gesetzesvorhaben, ein Kernanliegen der grünen Landtagsfraktion, wäre durchgefallen. Denn 18 Abgeordnete der Sozialdemokraten sind eigentlich gegen das Gesetz in der vorliegenden Form. Das machten die 18 am Donnerstag (29.11.2012) vor der Abstimmung in einer persönlichen Erklärung deutlich.
18 Genossen gegen das Gesetz
"Wir haben Zweifel, ob die Ziele des Nichtraucherschutzes mit dem Gesetzentwurf tatsächlich erreicht werden können", heißt es in der Erklärung. Außerdem fragen sich die Abgeordneten, ob die "gesetzliche Regelungstiefe" der gestiegenen Selbstverantwortung im Zusammenleben von Rauchern und Nichtrauchern gerecht werde. Mit anderen Worten: Die 18 Genossen haben Bauchschmerzen mit dem strengen Gesetz der grünen Gesundheitsministerin. Genau wie auch große Teile der sozialdemokratischen Basis, insbesondere im Ruhrgebiet. Um des lieben Friedens willen haben die Abgeordneten trotzdem zugestimmt. Mit 124 von 228 Stimmen wird das Gesetz angenommen. Alle anderen Fraktionen stimmen gegen die Gesetzesänderung. Zwei Piraten enthalten sich.
Ein Gesetz mit wenigen Ausnahmen
Im Mai 2013 wird nun eines der strengsten Nichtraucherschutzgesetze der Bundesrepublik in Kraft treten. In Kneipen darf dann ausnahmslos nicht mehr geraucht werden. Nur bei privaten Veranstaltungen mit geschlossenen Gesellschaften aus lauter geladenen Gästen ohne gewerbliches Ziel sind Ausnahmen erlaubt. Die Sonderregelungen für Brauchtums- oder Festzeltveranstaltungen werden abgeschafft, Raucher-Lounges oder Shisha-Bars müssen dichtmachen. Raucherbereiche in öffentlichen Einrichtungen sind von gestern. Und auch auf ausgewiesenen Spielplätzen wird der Glimmstängel verbannt. Übrigens auch der elektronische, denn die Regelungen gelten auch für E-Zigaretten.
Als das Abstimmungsergebnis bekannt ist, bricht Jubel in den Reihen der Grünen und einiger SPD-Parlamentarier aus. "Endlich", stöhnt ein Grüner erleichtert. Und die Gegner des Verbots machen lange Gesichter. In einer emotionalen Debatte hatten beide Seiten zuvor noch einmal alle Argumente für und wider das Gesetz ausgetauscht. Unterhaltsam war es, polemisch zum Teil.
"Mein Gott, muss man das alles verbieten"
So geißelt die CDU die "Verbotskultur" der Grünen und sieht ein "Bürokratiemonster" hervorkriechen. Hendrik Wüst, früher mal Generalsekretär bei der CDU, fragt sich, was als nächstes komme: ein Alkoholverbot oder der erzwungene Verzicht auf Fleisch? Und Fraktionschef Karl-Josef Laumann, zu Beginn seiner Rede noch ganz ruhig, sieht bald so aus, als habe er eine Zigarette verschluckt. "Mein Gott, muss man das alles verbieten", ruft, nein brüllt er den Grünen zu. Um dann drohend mit dem Finger auf die SPD-Reihen zu zeigen: "Die Menschen sollen wissen, wem sie das Gesetz zu verdanken haben." In diesem Moment bebt der Landtag.
"Abbild des neuen deutschen Spießertums"
Die FDP kann emotional nicht ganz so viel aufbieten. Dafür hat der frühere Generalsekretär Joachim Stamp die interessantesten Beschimpfungen auf Lager. Die "grünen Umerzieher" hingen einem "neoasketischen Weltbild" nach, sagt er. Und: "Ihr Rigorismus ist Abbild des neuen deutschen Spießertums." Die Piraten regen sich lieber darüber auf, dass das Gesetz auch für E-Zigaretten gilt. "Gesetzgebung mit dem Holzhammer", meint Pirat Kai Schmalenbach.
Das große Gut Gesundheit und Leben
Die Gegenseite gibt sich angesichts der Attacken betont sachlich. Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) hebt die Bedeutung des Gesundheitsschutzes hervor. Dieser gehe vor wirtschaftlichen Interessen oder dem Interesse einer Minderheit von Rauchern. SPD-Fraktionschef Norbert Römer stellt schließlich klar, dass es sich seine Fraktion nicht leicht gemacht habe mit dem Gesetz. Am Ende jedoch "haben wir uns für das große Gut Gesundheit und Leben entschieden". Das sind hehre Worte. Nicht alle in der SPD würden sie unterschreiben.