Braunkohlekraftwerk Niederaussem

Debatte über unrentable Kohlemeiler

Geheime Kraftwerksstudie entzweit den Landtag

Stand: 28.11.2012, 16:07 Uhr

Ein geheimes Gutachten des Umweltministeriums empört die Opposition im Landtag. Danach stehen mehr als ein Drittel der Kohle- und Gaskraftwerksblöcke in NRW vor dem Aus. Ein alter Hut, behauptet Umweltminister Remmel - muss sich aber auch Kritik von der SPD anhören.

Von Rainer Kellers

Das bislang geheime Gutachten hat das Prognos-Institut erstellt; es liegt WDR.de vor. Seine Kernbotschaft: Der Kraftwerks-Park in Nordrhein-Westfalen mit seinen vielen alten Braun- und Steinkohlemeilern steht vor einem Umbruch. Viele alte Kraftwerke könnten in den nächsten Jahren nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden. Konkret seien 29 von 72 Kraftwerksblöcken in den kommenden zwei Jahren nicht mehr rentabel, heißt es. Ursachen seien die erneuerbaren Energien. Die ständig wachsende Menge subventionierten Stroms im Netz drücke die Großhandelspreise. Alte Kohlemeiler, die wenig Energie aus den teuren Rohstoffen herausholen, lohnen sich demnach nicht mehr.

Geheimes Gutachten ist nicht geheim geblieben

Grundsätzlich neu ist diese Erkenntnis nicht. Und eine ganze Reihe der alten Meiler hat ohnehin bald das Ende seiner technischen Lebensdauer erreicht, müsste also modernisiert oder abgeschaltet werden. Trotzdem hat die Botschaft vom Kraftwerkssterben in Düsseldorf für Beunruhigung gesorgt. Das geheime Gutachten nämlich ist nicht geheim geblieben. Bereits Anfang der Woche zitierten mehrere Medien daraus. Die Opposition von CDU und FDP beantragte daraufhin eine Aktuelle Stunde im Landtag. Tenor: Warum informiert die Landesregierung nicht über die brisante Studie? Droht dem Land eine Versorgungslücke beim Strom?

Der angesprochene Umweltminister bezweifelt am Mittwoch (28.11.2012) im Landtag, dass die Ergebnisse des Gutachtens überhaupt brisant sind. Die Kraftwerksbetreiber hätten sich schon längst darauf eingestellt, dass alte Kohlekraftwerke unrentabel seien. Die Aufregung könne er, Remmel, nicht verstehen. Die Energiewirtschaft sei dabei, auf moderne Kraftwerke umzustellen, auch in NRW.

Ministerium: Gutachten weist Fehler auf

Plenarsaal, NRW Landtag

Erregte Debatte im Düsseldorfer Landtag

Warum das Gutachten dennoch als streng vertraulich bewertet und nicht veröffentlicht wurde, dazu sagt Remmel nichts. Lieber nutzt er seine Redezeit dafür, die Energiepolitik der schwarz-gelben Bundesregierung anzuprangern. Aus seinem Ministerium hört man aber, die Studie sei fehlerhaft und müsse überprüft werden. So sei beispielsweise der Kraftwerksblock Walsum 7 als problematisch aufgeführt worden, obwohl das Kraftwerk bereits vom Netz ist. Ein anderes Kraftwerk sei als Kohlemeiler ausgezeichnet, tatsächlich laufe es aber mit Gas. Die Angaben, ab wann ein Kraftwerk in Schwierigkeiten gerate, seien Schätzungen von Prognos. Und bevor die Studie veröffentlicht werden könne, müsse man sie gründlich überprüfen, heißt es. Den Eilantrag der CDU, die Studie sofort den Abgeordneten zugänglich zu machen, lehnen SPD, Grüne und Piraten ab.

Wer hat in der Energiepolitik das Sagen?

Damit war freilich zu rechnen. Und so nutzt die Opposition die Gelegenheit, um Kritik zu üben an der Energiepolitik der Landesregierung im Allgemeinen und der Ressortaufteilung im Speziellen. Dass nämlich der grüne Umweltminister eine Kraftwerksstudie in Auftrag gebe und nicht der rote Wirtschaftsminister zeigt nach Lesart von CDU und FDP, dass die Grünen in der Energiepolitik das Sagen hätten und eigene Ziele verfolgten. Ausgerechnet ein SPD-Mann liefert der Opposition dazu neue Munition. Thomas Eiskirch, energiepolitischer Sprecher der SPD im Landtag, bedauert in seiner Rede, dass die geheime Studie handwerkliche Fehler aufweise. Aber was lerne man daraus? "Man fragt besser gleich den Fachmann, nämlich den zuständigen Wirtschaftsminister Duin." Das lässt aufhorchen, ist die SPD etwa doch verärgert über das Remmel-Gutachten?

Im Umweltministerium ist man verwundert über die indirekte Kritik. Das Gutachten sei eingeholt worden, um eine Diskussionsgrundlage zu haben für die Erarbeitung eines Klimaschutzplanes, heißt es. Und dafür sei nun mal der Umweltminister zuständig. Die Opposition jedenfalls freut sich, spricht genüsslich vom "Streit auf der Regierungsbank" und fordert Wirtschaftsminister Garrelt Duin mehrfach auf, Stellung zu beziehen.

Plädoyer für die Kohle

Und das tut er dann auch - nach erregter Diskussion mit Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Seine Rede wird zum Plädoyer für die Kohle, ohne die die Energiewende in NRW nicht gelingen werde. Bezeichnenderweise klatschen bei diesen Worten CDU und FDP - bei den Grünen rührt sich keine Hand. Von einem Dissens will Duin aber nichts wissen, stattdessen lobt er die Zusammenarbeit mit Remmel: "Wenn der Kooperationswille der Bundesminister für Umwelt und Wirtschaft in Berlin auch nur halb so gut wäre wie zwischen Remmel und mir, wären wir in Deutschland weiter."

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