Kampf gegen rechte Hetze im Netz

Wenn aus Hasstiraden Gewalt wird

Stand: 01.12.2015, 15:14 Uhr

  • Landesregierung will stärker gegen rechtsextreme Hetze im Netz vorgehen
  • Ermittler suchen im Internet nach Hass-Postings und erstatten Anzeige
  • Justizminister stellt Facebook und Co. ein Ultimatum

Von Christian Wolf

Es sind Aussagen, die Innenminister Ralf Jäger nicht leicht über die Lippen kommen. Er zitiert aus Hassmails, die seine Beamten aus dem Netz gefischt haben: "Flüchtlinge vergasen und dann verbrennen - zur Stromerzeugung" oder "Richtig so - zwei bis drei erschießen und schon kommt keiner mehr, nur so bekommt ihr sie los." Solche rechte Hetze gegen Flüchtlinge lässt sich überall im Internet finden. Viel zu oft - findet die Landesregierung und will nun verstärkt dagegen vorgehen.

Innenminister Jäger und Justizminister Thomas Kutschaty (beide SPD) stellten am Dienstag (01.12.2015) ihre gemeinsame Strategie in Düsseldorf vor. Die zentrale Botschaft: "Wir werden euch kriegen", wie Jäger sagte. Wer im Internet Hetze verbreite, dürfe sich nicht sicher fühlen und in der scheinbaren Anonymität sozialer Netzwerke verstecken können. Im Landeskriminalamt gingen deshalb seit gut einem Monat 17 Spezialisten im Internet "auf Streife". Soziale Medien wie Facebook und Internetseiten mit vorwiegend rechtsextremistischen Inhalten würden gezielt durchforstet, um Täter zu identifizieren und Beweise zu sichern. Gehetzt werde gegen Flüchtlinge, ehrenamtliche Helfer, Journalisten und Politiker. Laut Jäger seien in 105 Fällen Anzeigen erstattet worden und 40 Täter ermittelt worden. Zehn davon kämen aus Nordrhein-Westfalen.

Justizminister setzt Facebook eine Frist

Auch die Justiz handelt. Schon im vergangenen Jahr wurde im Bereich des Oberlandesgerichts Köln eine zentrale Stelle für die Bekämpfung von Cyberkriminalität eingerichtet. Justizminister Kutschaty weitet deren Befugnisse nun aus, so dass sich künftig fünf Staatsanwälte um Fälle aus ganz NRW kümmern sollen.

Von besonderer Bedeutung ist für den Justizminister aber der Umgang mit den Betreibern von sozialen Netzwerken. Diese stehen schon seit Monaten in der Kritik, fremdenfeindliche Hasskommentare nicht konsequent genug zu löschen. Auch Kutschaty bemängelt, dass die Kooperation der Anbieter mit den Ermittlungsbehörden "noch zu wünschen übrig" lasse. Ermittlungsersuche würden "nur zögerlich oder gar nicht beantwortet". Noch versuche man es mit einer freiwilligen Selbstkontrolle. Doch allzu lang will Kutschaty nicht mehr auf konkrete Ergebnisse warten. Er kündigte an, dass Facebook und Co. noch bis zum Frühjahr Zeit hätten. Ansonsten müsse über eine Verschärfung des Telemediengesetzes nachgedacht werden, um das Löschen vorzuschreiben und Sanktionen zu verhängen.

Jäger beklagt Klima aus Angst und Gewalt

Innenminister Jäger machte deutlich, dass die verbale Gewalt in den sozialen Netzwerken stetig steige. "Immer mehr Menschen rechtfertigen ihre Hetze mit der Angst vor dem steigenden Zustrom von Flüchtlingen." Allerdings gebe es einen Unterschied zwischen Besorgnis und Hetze. Wer sich Sorgen mache, werde ernst genommen. "Wer in sozialen Netzwerken gegen Menschlichkeit hetzt, wer diskriminiert, wer Gaskammern für Flüchtlinge fordert - der überschreitet diese Grenze. Und das werden wir nicht akzeptieren", sagte Jäger. Diese "Kriminellen" vergifteten das gesellschaftliche Klima. "Wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, dass die Hetze im Netz ohne Konsequenzen bleibt. Hass in sozialen Netzwerken schürt ein Klima aus Angst und Gewalt und legt Feuer an Flüchtlingsheime", so der Innenminister. Insgesamt sinke die Hemmschwelle, die Hetzparolen in tatsächliche Gewalt umzusetzen.

Bürger sollen Hetze melden

Schon im Oktober hatte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft über einen anderen Umgang mit Hass-Mails gesprochen. Regelmäßig bekommt die Regierungschefin unsägliche Nachrichten zugeschickt. In der Vergangenheit seien diese immer gelöscht worden, sagte Kraft. Künftig wolle sie strafrechtlich relevante Post zur Anzeige bringen. Für einige Mails seien diese bereits auf dem Weg. "Sie dürfen nicht das Gefühl haben, dass sie in der Mehrheit sind. Das sind sie mitnichten", sagte Kraft.

Auch Jäger sagte am Dienstag, dass er "sehr häufig" solche Nachrichten bekomme und deren Anzahl "deutlich" zugenommen habe. In jedem einzelnen Fall stelle er Strafantrag. Genau das solle auch jeder Bürger tun, dem solche Parolen im Netz begegneten. "Wir rufen die Bürger auf: Melden Sie Internetseiten und Einträge in denen gegen Flüchtlinge, Helfer, Journalisten und Politiker gehetzt wird."