Wie braun ist Schwarz-Gelb?

Erneut Neonazi-Zwischenfall bei BVB-Spiel

Stand: 03.09.2012, 12:55 Uhr

Schon wieder ist es bei einem Spiel von Borussia Dortmund zu einem Zwischenfall mit Neonazis gekommen. Am Rande einer Auswärtspartie der BVB-Reservemannschaft skandierten bis zu 30 Rechtsextremisten radikale Parolen und schwenkten die Reichskriegsflagge. Der Club bezweifelt, dass es sich um Dortmund-Fans handelte.

Von Martin Teigeler

Wie eine Thüringer Polizeisprecherin am Montag (03.09.2012) auf WDR.de-Anfrage mitteilte, ereignete sich der Vorfall beim Auswärtsspiel von Borussia Dortmund II am Samstag (01.09.2012) in Erfurt. Etwa 30 Männer riefen den Angaben zufolge im BVB-Fanblock rechtsradikale Parolen. "Drei Reichskriegsflaggen wurden geschwenkt", sagte die Polizeisprecherin. Zudem habe eine Person den Hitlergruß gezeigt. Ermittelt werde wegen der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole.

Aktion "auf dem Rücken des BVB"?

Es ist innerhalb von gut einer Woche der zweite Neonazi-Vorfall im Dortmunder Fanblock. Beim Bundesliga-Auftaktsspiel am 24. August 2012 gegen Bremen soll ein 27-jähriger Rechtsextremist auf der Dortmunder Südtribüne ein Banner mit einer Solidaritätsbekundung mit der verbotenen Neonazi-Kameradschaft "NWDO" ausgerollt haben. Der nach Einschätzung des Verfassungsschutzes gewaltbereite "NWDO (Nationaler Widerstand Dortmund)" war erst am Tag zuvor vom Land NRW verboten worden.

BVB-Fanbetreuer Sebastian Walleit bezweifelt, ob für den neuen Zwischenfall in Erfurt Dortmunder Fans verantwortlich waren. "Wir haben von glaubwürdigen Augenzeugen die Aussage bekommen, dass niemand aus der Dortmunder Fanszene die 20 bis 25 Neonazis in Erfurt kannte", sagte Walleit. Möglicherweise sei hier "auf dem Rücken des BVB" eine Propagandaaktion durchgezogen worden. Hintergrund sei eventuell der verbotene Neonazi-Aufmarsch am 1. September in Dortmund.

Bis zu 60 Neonazis im BVB-Fanblock

Zugleich betonte Walleit die Entschlossenheit des Fußballclubs, gegen "dieses unsägliche Gedankengut" vorzugehen. Unter anderem habe der BVB die Stadionordnung verschärft. Bestimmte Kleidermarken, die von Neonazis gern getragen würden, seien auf der Südtribüne tabu. Der Fanbeauftragte schätzt, dass es unter den BVB-Anhängern eine Gruppe von 50 bis 60 Neonazis gibt. "Aber das sind 50 bis 60 von 25.000 Fans auf der Südtribüne", sagte Walleit und sprach von einer "kleinen Minderheit".

In der vergangenen Woche hatte BVB-Präsident Reinhard Rauball als Konsequenz aus dem Vorfall beim Ligaauftakt eine Task Force gegen Rechts in Dortmund gestartet. Gemeinsam mit Polizei, Stadt und Ordnungsdienst wolle man neue Wege bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus ausloten. Rauball räumte ein, dass man nicht von Einzelfällen sprechen könne. Rauball ist auch Chef des Bundesliga-Verbandes DFL.

Braune Dortmund-Fans schon in den 80ern

Tatsächlich gibt es in der schwarz-gelben Fanszene eine unselige braune Tradition. "Der BVB hatte früher schon massive Probleme mit organisierten Neonazis", sagte der Autor und Rechtsextremismus-Experte Holger Pauler. "Als Anfang der 1980er Jahre die sogenannte Borussenfront unter der Führerschaft des berüchtigten Siegfried 'SS-Siggi' Borchardt die Stadien terrorisierte, reagierte der Verein anfangs hilflos", sagte Pauler. Trotz bundesweiter Stadionverbote bestünden solche Gruppen "teils informell weiter". Dortmunder Fans seien beispielsweise auch durch homophobe Plakate negativ aufgefallen.

"Durch die Diskussionen um Pyrotechnik oder die Abschaffung der Stehplätze ist das Problem des Rechtsextremismus in der Vergangenheit vernachlässigt worden", sagte Pauler. Es werde Zeit, "dass sich DFB, DFL und die Vereine verstärkt diesem wesentlich gefährlicheren Thema wieder annehmen".