Minister legt Thesenpapier vor
Argumente für die Beamten-Nullrunde
Stand: 02.07.2013, 16:51 Uhr
Die Kritik an der geplanten Nullrunde für höhere Beamte ist bei Betroffenen wie Experten vernichtend. Der NRW-Finanzminister versucht nun, das Besoldungsgesetz zu retten. Auf 18 Seiten listet er im Detail auf, warum die Beamten-Nullrunde gerecht sei.
Von Rainer Kellers
Hannelore Kraft ist angefressen. Seit Wochen begleiten wütende Beamte mit Trillerpfeifen und Spottplakaten jeden ihrer öffentlichen Auftritte. Die Wucht des Widerstands hat die Regierungschefin überrascht. Plötzlich ist sie nicht mehr die beliebte Landesmutter, sondern "Lügen-Hanni" und "Schandelore". So könne es nicht weitergehen, soll Kraft in internen Runden gesagt haben. Gerade im Wahlkampf, bei dem die NRW-SPD ein gutes Ergebnis beisteuern will, ist die von den Beamten verbreitete Negativstimmung schädlich.
Fiasko bei der Expertenanhörung
Gänzlich unbequem wurde die Situation Mitte Juni. Die Expertenanhörung zum Besoldungsgesetz geriet zum Fiasko. 20 von 21 Experten lehnten die gestaffelte Übernahme des Tarifvertrags mit den Nullrunden ab Besoldungsgruppe A13 ab. Der renommierte Staatsrechtler Ulrich Battis sprach im Landtag von "offenem Rechtsbruch". Der Gesetzentwurf sei "naiv begründet", die Schuldenbremse als einziges Argument für Gehaltseinbußen sei "nicht stichhaltig". In Schulnoten wäre das eine glatte sechs. Die Regierung musste handeln.
Einknicken unmöglich
Wie man hört, hat es in den Fraktionen bisweilen hochemotionale Debatten zum Thema gegeben. Herausgekommen ist offenbar die Erkenntnis, dass es unmöglich sei, die geplanten Abstriche bei der Besoldung wieder zurückzunehmen. Wenn man jetzt einknicke, könne man das Sparen auch gleich einstellen, hört man aus Koalitions-Kreisen. Um sich aber gegen mögliche Klagen zu wappnen und bessere Argumente in der Hand zu haben, wurde beschlossen, die Kürzungspläne besser zu begründen. Das Finanzministerium hat diesen Arbeitsauftrag nun erledigt. Herausgekommen ist ein 18-seitiges Papier, das am Dienstag (02.07.2013) den Abgeordneten im Landtag vorgestellt wurde. Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) listet darin Argumente dafür auf, warum die geplante Nullrunde in Ordnung sei. Es ist eine Art Thesenpapier, das den Gesetzentwurf zur Beamtenbesoldung begleitet und bei möglichen Klagen als Verteidigungsgrundlage dienen kann.
Das Prinzip des angemessenen Bezahlens
Einleitend heißt es in dem Papier, dass der Gesetzgeber prinzipiell "einen weiten Gestaltungsspielraum" bei der Besoldung seiner Beamten und Richter habe. Ein Verfassungsverstoß liege nur dann vor, wenn das Prinzip der "amtsangemessenen Alimentierung" nicht eingehalten werde. Mit anderen Worten: Die Bezahlung muss so ausfallen, dass der Beruf des Beamten attraktiv bleibt und ein angemessener Lebensstandard gehalten wird. Finanzminister Walter-Borjans meint: Dieses Prinzip bleibt gewahrt - trotz der geplanten Nullrunden für höhere Beamte. Und diese Behauptung versucht der Minister, ausgiebig zu begründen.
Argument eins: Die Attraktivität des Beamtenberufs bemesse sich nicht alleine am Nettoeinkommen. Beamte seien sozial bestens abgesichert - bei Krankheit, Berufsunfähigkeit und im Alter - außerdem quasi unkündbar. Diese Absicherung, so der Minister, führe zu einem hohen "Lebenskomfort". Das bleibe auch so, wenn die Tariferhöhung nicht übertragen werde. Frei nach dem Motto: Geld ist nicht alles.
Argument zwei: Der Reallohnverlust sei nicht so groß, dass die Attraktivität des Beamtendaseins geschmälert werde. Am Beispiel einer Familie mit zwei Kindern (Steuerklasse III) rechnet Walter-Borjans den monatlichen Verlust vor (siehe Tabelle). Dieser Verlust, so der Minister, sei "zu verkraften".
Besoldungsgruppe (Endstufe) | Reallohnverlust |
---|---|
A11 | 28,03 Euro |
A12 | 30,42 Euro |
A13 | 93,29 Euro |
A14 | 101,55 Euro |
Argument drei: Die gestaffelte Übernahme des Tarifbeschlusses führe nicht zu Ungerechtigkeiten, wie die Kritiker behaupten. Geplant ist, dass die unteren Besoldungsgruppen die Tariferhöhung ganz bekommen, A11 und A12 nur teilweise und die höheren Gruppen gar nicht. Walter-Borjans argumentiert nun, dass die Staffelung eine "ausgleichende Wirkung" habe. Denn schließlich seien die unteren Besoldungsgruppen stärker von der Preissteigerung betroffen, würden stärker durch höhere Krankenkassenbeiträge belastet und müssten prozentual mehr Steuerlast schultern als die besserverdienenden Beamten. Der Abstand zwischen den Besoldungsgruppen bleibe zudem trotz der Staffelung "hinreichend", meint der Finanzminister. Nirgendwo sei vorgeschrieben, wie groß der Abstand zwischen den Gruppen sein müsse. Das liege im Ermessens des Dienstherrn.
Beamtengesetz nächste Woche im Landtag
Am Ende zieht Walter-Borjans das Fazit: "Die gestaffelte Übernahme verletzt nach gründlicher Abwägung sämtlicher Alternativen nicht den Kernbereich des Alimentationsprinzips." Die Landesregierung werde aber "aufmerksam die Geldentwertentwicklung" beachten. Das soll wohl heißen, wenn die Inflation anzieht, gibt es einen Ausgleich auch für Beamte. Das diese nun beruhigt sind, ist nicht zu erwarten. Nächste Woche soll das Gesetz im Landtag verabschiedet werden. Es wird wohl wieder Trillerpfeifen und Spottplakate geben.