Höhere Einnahmen trotz Kirchenaustritten

Kirchensteuer sprudelt

Stand: 31.10.2014, 00:00 Uhr

Trotz steigender Zahl der Kirchenaustritte nehmen katholische und evangelische Kirche in NRW so viel Kirchensteuer ein, wie seit Jahren nicht mehr. Nach WDR-Recherchen fließen rund drei Milliarden Euro in die Kassen der fünf katholischen Bistümer und der drei evangelischen Landeskirchen - rund 86 Millionen Euro mehr als im vorigen Jahr.

Von Heinz Krischer

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Seit zehn Jahren geht es mit der Kirchensteuer in NRW fast nur nach oben. Einen Knick gab es lediglich 2009 nach der Finanzkrise. Mittlerweile sind die Einnahmen aber schon wieder höher als vor der Krise. Dabei sind die Zahlen, die die Kirchen dem WDR nannten, noch vorsichtige Schätzungen, die zum Teil Anfang des Jahres aufgestellt wurden. Doch schon die ersten drei Quartale deuten darauf hin, dass diese Schätzungen nochmals übertroffen werden könnten. Besonders hohen Zuwachs dürfte das Bistum Aachen verbuchen: Hier erwartet man rund 23 Millionen Euro mehr - ein Plus von elf Prozent.

Gute Konjunktur kurbelt Kircheneinnahmen an

Die steigenden Einnahmen der Kirchen sind auf die gut laufende Konjunktur der vergangenen Jahre zurückzuführen. Die Kirchensteuer ist an die Lohn- und Einkommensteuer gekoppelt. Neun Prozent dieses Steueraufkommens müssen katholische und evangelische Christen an ihre jeweilige Kirche zahlen. Von hoher Beschäftigungsquote und relativ guten Einkommen profitieren auch die Kirchen.

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Kirchenaustritte schlagen nicht so stark zu Buche

Dass es gleichzeitig eine steigende Zahl von Kirchenaustritten gibt, macht sich beim Kirchensteuer-Aufkommen jedenfalls nicht so negativ bemerkbar, wie manche Kirchenvertreter gefürchtet hatten. Vor zwei Jahren erklärten in Nordrhein-Westfalen 53.000 evangelische und katholische Christen ihren Austritt aus der Kirche. Knapp 80.000 Menschen waren es 2013. Und schon in den ersten drei Quartalen diesen Jahres zählen die Amtsgerichte 79.000 Kirchenaustritte. Die Austrittswelle hat nach Einschätzung der Kirchen auch damit zu tun, dass ab 2015 Banken automatisch Kirchensteuern von höheren Kapitalerträgen abführen. Sorgen, dass Bankmitarbeiter künftig wissen, wer welcher Kirche angehört, hält die evangelische Kirche für unbegründet – die Angaben würden verschlüsselt an die Banken übermittelt, heißt es.

Kirchen trauen dem Geldsegen nicht

So richtig trauen die Kirchen dem Geldsegen aber nicht, und rechnen die Einnahmen klein. "Rechnet man Inflation und Gehaltssteigerungen auf das Kirchensteueraufkommen, dann lagen die tatsächlichen Einnahmen bei uns im vorigen Jahr um rund ein Drittel noch unter denen von 1992", sagt Andreas Duderstedt, Sprecher der Evangelischen Kirche von Westfalen. Und Ägidius Engel, Sprecher des Paderborner Erzbistums, warnt ebenfalls vor Euphorie: "Die Kirchensteuereinnahmen hängen eng mit der Konjunktur, der tariflichen Situation und auch politischen Entscheidungen zusammen." Außerdem führe die demographische Entwicklung absehbar zu einem deutlichen Rückgang der Kirchensteuer. "Hier ist der vorsichtige Kaufmann gefragt."

Spare in der Zeit, dann hast du in Not

So einer wie der Siegener Superintendent Peter-Thomas Stuberg. 21,6 Millionen Euro überwies das Siegener Finanzamt in diesem Jahr bereits von den evangelischen Christen im Siegerland an die Kirchenverwaltung – 2,6 Millionen Euro mehr als in den ersten drei Quartalen des vorigen Jahres. Doch Stuberg will trotzdem nicht mit der Gießkanne durch den Kirchenkreis gehen, der zu einem der reichen im Land gehört. "Im Kirchenkreis Siegen bauen wir für schlechtere Zeiten vor", sagt Stuberg. "Und diese Zeiten werden kommen." So geht ein erheblicher Teil des Geldes in den Baufonds, um auch später Geld für Reparaturen an kircheneigenen Gebäuden vornehmen zu können. Aber auch in die aktuelle Arbeit soll zusätzliches Geld fließen: "Die Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle und die Telefonseelsorge profitieren davon, auch die Kindertageseinrichtungen." Außerdem wird die ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit an der Flüchtlingsnotunterkunft in Burbach mit 5.000 Euro unterstützt sowie eine Asylverfahrens-Beratungsstelle mit 10.000 Euro.

Der große Schnitt

Pfarrer Joachim Prunzel

Pfarrer Joachim Prunzel

Aber vielerorts wird schon jetzt der Gürtel enger geschnallt, werden Pfarreien zusammengelegt, Gemeindegrenzen neu gezogen. So wie im sauerländischen Sundern. Seit Jahren spart die kleine evangelische Gemeinde bereits, wo es eben geht. Jetzt aber kommt der große Schnitt: Zum Jahresende wird eine der zwei evangelischen Kirchen geschlossen. Sie soll verkauft und möglicherweise abgerissen werden. Und weil es zeitlich grade passt, werden Hausmeister, Küster und Organist in Rente geschickt. Pfarrer Joachim Prunzel aber wird seine Gemeinde verlassen müssen, in der er 21 Jahre tätig war. Zwei Pfarrer gibt der Stellenschlüssel hier nicht mehr her. Prunzel macht seiner Kirche dennoch keinen Vorwurf: "Kurzfristig könnten wir angesichts der positiven Entwicklung bei den Kirchensteuern meine Stelle hier sicherlich halten – mittel- und langfristig aber nicht."

Einsparungen können weh tun

Trotz hoher Kirchensteuern wird längst nicht mehr nur an Gemeindestrukturen gespart, sondern auch dort, wo die Kirche oder kirchliche Organisationen als Unternehmer tätig sind. Vielen Kirchensteuerzahlern passt das gar nicht. Wolfram Schmitz aus Balve im Erzbistum Paderborn und viele Unterstützer kämpften vergeblich um den Erhalt des katholischen Krankenhauses St. Marien in seiner Heimatstadt. Aus wirtschaftlichen Gründen wurde das Haus vor zwei Jahren geschlossen. "Für uns war das ein Schlag ins Gesicht", sagt Schmitz. "Wir sind hier weitab von anderen Krankenhäusern, da kann es schon mal 20 Minuten dauern, bis der Notarzt da ist." Dass der katholische Träger das Marien-Hospital dennoch schloss, schmerzt Schmitz noch heute. Insbesondere dann, wenn er hört, wie hoch die Kirchensteuereinnahmen sind. "Ich hätte mir das schon anders erwartet und größeres wirtschaftliches Engagement der Kirche gewünscht."

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1 Kommentar

  • 1 Sven G. 24.08.2016, 17:12 Uhr

    Ähnlich wie die Kirchensteuer sprudeln auch fast alle anderen Steuern die das Land NRW einnimmt. Und was macht die ROT-GRÜNE Landesregierung damit? Mehr Murks als Kraft & Co bisher produziert haben hat wohl keine Landesregierung vorher. Man muß sich nur den Bildungsmurks anschauen. Aber nicht nur das. Da wird von den Genossen trotz sprudelnder Steuern die Grunderwerbsteuer kräftig erhöht. Kein Wunder, dass sich in NRW keine Neuindustrie ansiedelt und die Mieten immer weiter in die Höhe schiessen. Da laßt das Geld lieber den Kirchen für ihre vorbildliche Entwicklungshilfe von der ich mich selbst überzeugen konnte. Sie ist weit besser als jede staatliche Hilfe.