Jürgen Sparwasser reißt jubelnd die Hände hoch, gegenerischer Torwart und Spieler liegen am Boden, der Ball fliegt ins Netz

Stichtag

10. Januar 1988 – Jürgen Sparwasser bleibt in der BRD

Am 10. Januar 1988 sitzt Jürgen Sparwasser mit dem Rest der Altherrenmannschaft des 1. FC Magdeburg im Hotel in Saarbrücken beim Frühstück. Alles scheint wie immer, als der Trupp zum Stadtbummel aufbricht. Erst bei der Rückkehr ins Hotel bemerkt Teamkollege Wolfgang Seguin, dass Sparwassers Koffer fehlt. "Da hab' ich gedacht: Ich glaube, der hat sein Hotelzimmer nicht wiedergefunden", wird er sich später erinnern. 

Aber es ist anders: Jürgen Sparwasser hat der Deutschen Demokratischen Republik den Rücken gekehrt und will im Westen bleiben. Der DDR-Nachrichtendienst ADN sieht das anders: "Die Anwesenheit einer Altherrenmannschaft des 1. FC Magdeburg in Saarbrücken benutzten sportfeindliche Kräfte zur Abwerbung von Jürgen Sparwasser, der seine Mannschaft verriet."

Mit einem Tor zum Ruhm

Geboren wird Sparwasser 1948 in Halberstadt. Sein Vater ist Trainer bei der BSG Lok Halberstadt, wo auch die Laufbahn des Sohnes beginnt. 1964 kommt er zum 1. FC Magdeburg. Mit dem Verein wird Sparwasser mehrfacher Meister und Pokalsieger. 1972 gewinnt er mit der DDR-Nationalmannschaft Bronze bei den Olympischen Spielen in München, zwei Jahre später mit Magdeburg den Europapokal.

Überhaupt ist 1974 Sparwassers großes Jahr. Bei der Fußballweltmeisterschaft schießt er im Hamburger Volksparkstadion gegen den Klassenfeind aus der Bundesrepublik in der 78. Minute das entscheidende Tor zum 1:0-Sieg des DDR-Teams. Vom SED-Regime wird er deshalb zum Nationalhelden stilisiert – eine Ehrung, die ihm nach eigenem Bekunden eher schadet als nützt. Denn der Erfolg zieht viele Neider an, die ihm grundlos unterstellen, Haus, Auto und Geld für sein Tor bekommen zu haben; das belastet Sparwasser sehr.

"Erich Mielke hat gepennt"

Nach dem Ende seiner Sportlerlaufbahn 1979 lehrt Sparwasser viele Jahre lang als Dozent an der Hochschule von Magdeburg, wo er Studenten ausbildet und promovieren will. Als er den Parteibeschluss, den 1. FC Magdeburg zu übernehmen, nicht mehr abwehren kann, sieht er für sich im Osten keine Perspektive mehr. Hinzu kommt, dass sich 1988 nicht nur die Magdeburger Altherrenmannschaft im Westen befindet, sondern auch Sparwassers Frau Christa, die Verwandte in Lüneburg besucht. "Der Erich Mielke", wird Sparwasser später sagen, "hat damals gepennt."

In der Bundesrepublik kann Sparwasser an seine DDR-Erfolge nicht mehr anknüpfen. Nach Anfängen als Assistenztrainer bei Eintracht Frankfurt trainiert Sparwasser zunächst Darmstadt 98 und leitet in den 90er Jahren die Vereinigung der Vertragsfußballer (VDV). Seit 2012 arbeitet er für die Fußballschule von Eintracht Frankfurt. Seine Flucht hat er nach eigenen Angaben trotzdem "in keinster Weise" bereut.

Stand: 10.01.2013

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