Uwe Barschel im Krankenbett

Stichtag

31. Mai 1987 - Uwe Barschel überlebt einen Flugzeugabsturz

Uwe Barschel ist auf dem Rückflug nach Schleswig-Holstein. Am Nachmittag hat er sich in Bonn mit den anderen CDU-Ministerpräsidenten bei Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) getroffen. Barschels Stimmung an diesem 31. Mai 1987 ist so schlecht wie das Wetter. Es sind noch dreieinhalb Monate bis zur Landtagswahl und seine Chance, wiedergewählt zu werden, stehen schlecht.

Zielort der zweistrahligen Cessna ist Lübeck-Blankensee. Der kleine Flugplatz ist nur 15 Kilometer von Barschels Haus in Mölln entfernt. Gegen 23 Uhr beginnt der Landeanflug. Die Sicht wird durch Nieselregen beeinträchtigt. Der Flugplatz ist nicht auf Instrumentenflug ausgelegt. 700 Meter vor der Landebahn streift die Maschine mit der linken Tragfläche einen Funkmasten und stürzt ab. Beide Piloten sterben noch vor Ort, ein Leibwächter einige Tage später im Krankenhaus. Nur Barschel kann sich durch eine Öffnung im Rumpf ins Freie retten - mit Rippen- und Wirbelbrüchen.

"Glänzend geschauspielert"

Als er nach seiner Genesung den Landtagswahlkampf aufnimmt, wirkt Barschel wie ausgewechselt. Der als skrupellos und machtversessen geltende Politiker, der es aus einfachen Verhältnissen zum jüngsten Ministerpräsidenten Deutschlands gebracht hat, schlägt ungewohnte Töne an: "Wem das Leben buchstäblich noch einmal geschenkt wurde ..., der wird nachdenklicher, der wird auch bescheidener." Seine Mitstreiter glauben allerdings nicht an eine Wandlung. "Es war glänzend geschauspielert", sagt CDU-Politiker Trutz Graf Kerssenbrock rückblickend. "Er war ein absoluter Profi in diesen Dingen."

Während Barschel öffentlich über den Sinn des Lebens philosophiert, läuft im Hintergrund eine Kampagne, die einige Monate später bekannt wird. Barschel hat den Medienreferenten Reiner Pfeiffer in die Staatskanzlei geholt, um den SPD-Gegenkandidaten Björn Engholm zu bespitzeln. Gerüchte über seine angebliche Homosexualität sollen ihn diskreditieren. Eine Woche vor der Landtagswahl veröffentlicht der "Spiegel" eine Titelstory über "Barschels schmutzige Tricks". Nach der Wahlniederlage der CDU leugnet Barschel in einer Pressekonferenz alle Vorwürfe: "Ich wiederhole: Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe haltlos sind."

Keine Hinweise auf Sabotage

Vier Wochen später wird der 43-Jährige am 11. Oktober 1987 tot in einer Badewanne im Genfer Hotel "Beau Rivage" aufgefunden. Die Ermittler stellen als Todesursache Selbstmord fest. Dennoch halten sich bis heute Spekulationen, Barschel sei ermordet worden. Dafür sprächen eine Menge Indizien und ein denkbares Motiv, sagt der seinerzeit zuständige Staatsanwalt Heinrich Wille: "Er stand mit dem Rücken zur Wand und wollte auspacken." Barschel habe ausdrücklich gesagt: "Die in Bonn werden mich kennenlernen."

Vermutet werden illegale Waffengeschäfte, an denen Barschel entweder selbst beteiligt oder denen er auf der Spur gewesen sein könnte. Deshalb steht der Politiker im Visier von Geheimdiensten - etwa der DDR-Staatssicherheit. Manche Anhänger der Mordtheorie glauben, dass der Flugzeugabsturz in Wirklichkeit ein erster Attentatsversuch der Stasi war. Der offizielle Untersuchungsbericht schließt Sabotage allerdings aus: "Die Überprüfung der Wrackteile, auch durch entsprechende Spezialisten der Polizei, ergab keine Hinweise darauf", so das Luftfahrt-Bundesamt.

Stand: 31.05.2012

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