Ein altes Bild des Kaufhof-Gebäudes

Stichtag

15. November 2009 - Vor 95 Jahren: Tod von Warenhaus-Pionier Leonhard Tietz

Geboren wird der spätere "Kaufhaus-König" am 3. März 1849 in Birnbaum, tief im Osten der preußischen Provinz Posen. Seine weit verzweigte jüdische Familie verdient mit kleinen Handelsgeschäften das Nötigste zum Leben. So beginnt Leonhard mit neun Jahren seine Berufsausbildung in den Gemischt- und Textilwarenläden der Tanten und Onkel.

Er besucht die großen Handelsmessen in Frankfurt und Leipzig, ist bereits als Zwanzigjähriger Experte für Kleidungsstoffe und erfährt auf Reisen alles, was es übers Einkaufen und Verkaufen zu lernen gibt. 1876 verlässt Leonhard Tietz die provinzielle Enge von Birnbaum und übernimmt mit Freunden ein Textilien-Geschäft in Frankfurt/Oder. Zwei Jahre später, nach der Heirat mit seiner langjährigen Freundin Flora, eröffnet Tietz in Stralsund auf gerade einmal 25 Quadratmetern die erste Textilwarenhandlung als Alleininhaber. Mit seinem "Garn-, Knopf-, Posamentier- und Wollwarengeschäft – en gros und en detail" legt er den Grundstein zu einem Warenhauskonzern, der bis heute unter dem Namen "Kaufhof AG" allen Krisen widerstanden hat.

Es dauert nicht lang, bis die Konkurrenz Kopf steht. Das Geschäftsprinzip von Tietz nämlich, so alltäglich es heute klingt, bricht mit Jahrhunderte alten Handelsbräuchen: feste Preise, Barzahlung und alles so billig wie möglich. Feste Preise, gar eine Preisauszeichnung, wie sie Leonhard Tietz einführt, sind noch völlig unbekannt. Was die Ware kostet, wird bis dato zwischen Kunde und Verkäufer ausgehandelt. Weil meist angeschrieben, also auf Pump gekauft wird, muss der chronisch bargeldklamme Händler seine Kreditkosten über höhere Preise wieder hereinholen.

Tietz dagegen trifft den Nerv der Kundschaft und muss seinen Laden bald vergrößern. Stetig steigende Umsätze, angekurbelt durch Sonderangebote und Werbeaktionen, verschaffen ihm beim Wareneinkauf enorme Vorteile, die er über konkurrenzlose Tiefpreise weitergibt. Nach zehn Jahren nimmt Leonhard Tietz, der die großen Warenhaus-Paläste von Paris und London kennt, die Verwirklichung seines Lebenstraums in Angriff: als Erster eine solche Metropole des modernen Warenhandels in Deutschland zu errichten.

Oskar und Hermann Tietz, Bruder und Onkel von Leonhard, betreiben Mitte der 1880er Jahre bereits Handelsgeschäfte in Bayern. Während sie dort den Grundstein zum späteren Hertie-Konzern (HERmannTIEtz) legen, wählt Leonhard Tietz das Rheinland für seinen Expansionsfeldzug aus. In der Industrie-Boomstadt Elberfeld beginnt er 1889 mit einer Textilhandlung nach dem Stralsunder Erfolgsprinzip. Er vergrößert, eröffnet Filialen und wagt den Sprung in die Großstadt Köln. 1894 eröffnet Tietz in der Domstadt "Kölns größtes Verkaufshaus mit sämtlichen Bedarfsartikeln, als Sehenswürdigkeit der Stadt mit über 200 Angestellten".

Mit seinen 1906 und 1909 erbauten Kaufhäusern an der Düsseldorfer Königsallee und der Kölner Hohe Straße, luxuriösen Prachtbauten mit Säulen, Arkaden und edlen Hölzern, steigt Leonhard Tietz in die internationale Klasse der von ihm bewunderten Pariser Konsumtempel auf. Als er am 15. November 1914 in Köln stirbt, übergibt der hoch geachtete Kaufhauskönig seinem Sohn Alfred einen Konzern mit 5.000 Angestellten und etwa 25 Häusern und Niederlassungen in ganz Europa. 1933 wird Alfred Tietz von den Nationalsozialisten zur Flucht gezwungen. Die Tietz-Handelsgesellschaft wird arisiert und firmiert fortan als Kaufhof AG.

Stand: 15.11.09