Stichtag

28. Dezember 2007 - Vor 25 Jahren: Erwin Bootz stirbt in Hamburg

Er ist der Mann am Klavier: Im März 1928 stößt Erwin Bootz zu fünf jungen Sängern, die ein Vokalensemble nach amerikanischem Vorbild gründen wollen. Der 21 Jahre alte Pianist wird ihr ständiger Begleiter. Nach monatelangem Proben singen die sechs dem Revuekönig Erich Charell vor, der sie sofort für seine Produktion "Casanova" verpflichtet. Charell gibt der Gruppe den Namen "Comedian Harmonists ". Der Durchbruch gelingt im Dezember 1929 bei einem Auftritt im Leipziger Schauspielhaus: "Da erlebten wir einen Applaus, den wir noch nie gehabt hatten", erinnert sich der am 30. Juni 1907 in Stettin geborene Bootz. "Da wurde plötzlich getrampelt, geschrien, das Haus kam runter."

Bootz hat von Anfang an eine Ausnahmestellung in der Gruppe. Ausgebildet am Konservatorium und an der Musikhochschule in Berlin übernimmt er die musikalische Leitung. Mit Schlagern wie "Veronika, der Lenz ist da" und "Mein kleiner grüner Kaktus" hat die erste deutsche Boygroup großen Erfolg. Auch im Ausland wird sie bei ihren Auftritten gefeiert. Mitten in der Wirtschaftskrise verdienen die Musiker gut, fahren teure Autos und sind mit attraktiven Frauen liiert. Zunächst spielt es keine Rolle, dass drei Mitglieder des Ensembles jüdischer Abstammung sind. Das ändert sich 1933: Nach Hitlers Machtübernahme werden die "Comedian Harmonists " in der Presse als Judenbande angefeindet. Die jüdischen Mitglieder schlagen vor, gemeinsam zu emigrieren - doch die drei anderen, darunter auch Bootz, sehen für sich in Deutschland bessere Chancen. "Sie waren keine Nazis", sagt der jüdische Tenor Roman Cycowski. Sie hätten aber nur ans Geld gedacht. Cycowski ist überzeugt, dass sich Bootz von seiner ersten Frau hat scheiden lassen, weil sie Jüdin war - auch wenn Bootz selbst das immer bestritten hat.

1935 wird den "arischen" Mitgliedern verboten, weiterhin mit ihren jüdischen Kollegen zu musizieren. Das ist das Ende der "Comedian Harmonists ". Die drei Juden ziehen ins Ausland. Beide Gruppen machen mit neuen Partnern weiter - ohne großen Erfolg. Das "Meistersextett", wie die in Deutschland bleibende Fraktion nun heißt, wird 1940 verboten. Ihr Gesang sei nicht geeignet, "den Wehrgedanken des deutschen Volks" zu stärken. Bootz hat sich zu diesem Zeitpunkt bereits abgesetzt: Er heiratet seine Jugendliebe, die Tochter eines Nazis, und arbeitet als Komponist und Autor fürs Kabarett. Nach dem Krieg wandert er nach Kanada aus. Zurück in Deutschland schafft er in den 70er Jahren ein Comeback als Theater-Musiker. Peter Zadek holt den 65-Jährigen ans Bochumer Schauspielhaus, wo Bootz unter anderem die Musik für die Revue "Kleiner Mann, was nun?" arrangiert. Am 27. Dezember 1982 stirbt er mit 75 Jahren in Hamburg an einem Herzinfarkt.

Stand: 28.12.07