"Sie tapfere Frau! Es gibt noch Treue und Mut auf der Welt", lobt Adolf Hitler die Pilotin Hanna Reitsch, als sie am 26. April 1945 im Führerbunker in Berlin auftaucht. Sie hat den letzten Chef der Luftwaffe, Generaloberst Robert Ritter von Greim, mit einem Fieseler Storch, einem Kurier- und Beobachtungsflugzeug, ins Hauptquartier gebracht. Die Nachtlandung zwischen den Trümmern vor dem Brandenburger Tor ist eine fliegerische Meisterleistung. Zwei Tage, bevor Hitler sich umbringt, gelingt es Reitsch, das eingekesselte Berlin wieder per Flugzeug zu verlassen. Über ihren Bunkerbesuch schreibt sie 1946 in amerikanischer Gefangenschaft in einem Brief, den sie über 30 Jahre später in ihrem Buch "Höhen und Tiefen" abdruckt. Darin beteuert sie, von der Judenvernichtung keine Ahnung gehabt zu haben: "Ich wusste todsicher, dass das deutsche Volk davon ebenso wenig gewusst haben konnte wie ich selbst."
Geboren wird Hanna Reitsch am 29. März 1912 im schlesischen Hirschberg nördlich des Riesengebirges als Tochter eines Augenarztes. Bereits als Vierjährige will sie fliegen. Ihre Mutter kann gerade noch verhindern, dass Hanna mit ausgebreiteten Armen vom Balkon springt. Nach dem Abitur will sie "fliegende Missionsärztin" werden. 1932 beginnt Reitsch in Berlin, Medizin zu studieren und macht verschiedene Flugscheine. Segelflugpionier Wolf Hirth wird ihr Lehrmeister. Reitsch bricht bald mehrere fliegerische Weltrekorde. Sie wird Testpilotin an der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug, später bei der Flugerprobungsstelle der Luftwaffe. 1937 ernennt sie der spätere Generalflugluftzeugmeister Ernst Udet zur weltweit ersten Flugkapitänin. Ein Jahr später macht sie Schlagzeilen, als sie den Focke-Wulf-Hubschrauber FW-61 in der Berliner Deutschlandhalle präsentiert. Nach Kriegsbeginn erprobt Reitsch neue Militärflugzeuge. Sie testet auch eine Sonderkonstruktion der "Vergeltungswaffe" V1 - eine bemannte Gleitbombe. Für ihre Leistungen erhält Reitsch unter anderem das Eiserne Kreuz Zweiter Klasse und - als erste und einzige Frau - das Eiserne Kreuz Erster Klasse.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wird Reitsch von den Amerikanern 15 Monate inhaftiert. Ab 1954 ist sie wieder in der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt als Testpilotin tätig. Sie bringt die Segelfliegerei nach Indien und Ghana, wird deutsche Segelflugmeisterin und stellt bis zu ihrem Lebensende weitere Flugrekorde auf. Sie stirbt am 24. August 1979 im Alter von 67 Jahren an Herzversagen in Frankfurt am Main. Von ihrem Engagement für die Nazis hat sich Hanna Reitsch nie distanziert: "Ich lebte in der Forschung und hatte mit Politik nicht das Leiseste zu tun." Das Fliegen habe sie zum Leben gebraucht "wie Sauerstoff zum Atmen".
Stand: 29.03.07