Montage von verschiedenartigen Usern die aus Monitoren blicken

Rückblick aus dem Jahr 2005: Die Online-Gemeinde

Vom Freak zum Otto Normaluser

Stand: 02.05.2005, 16:20 Uhr

Der WDR feierte 2005 zehnjähriges Online-Jubiläum: Seit 1995 hat sich die Internet-Gemeinde drastisch verändert. 2005 geht (fast) jeder ins Internet, während der User 1995 überwiegend jung, männlich und überdurchschnittlich gebildet war.

Von Urs Zietan

"1995 war das Internet immer noch ein Medium für eine relativ große, aber beschränkte Gruppe so genannter Internet-Freaks, die die romantische Vorstellung eines freien, globalen, anarchischen Mediums hatten", sagt Jo Groebel, Generaldirektor des Europäischen Medieninstituts EIM in Düsseldorf und Paris. Heute hingegen sei das Internet ein "ganz normales Medium", weit verbreitet bei gleichermaßen 'normalen' Bürgern.

Der jüngsten ARD/ZDF-Online-Studie (2004) zufolge ist inzwischen jeder zweite Deutsche ein Surfer: 55,3 Prozent der Menschen ab 14 Jahren gehen zumindest gelegentlich online. Das sind 35,7 Millionen User - ein gigantischer Sprung seit 1997 (damals wurde die erste repräsentative Studie veröffentlicht), als nur 4,1 Millionen Deutsche (6,5 Prozent) im Netz waren.

Als das Netz noch männlich war...

Der Durchschnittsuser 1995 war jung und hatte eine gehobene Ausbildung (Abitur oder abgeschlossenes Studium). Das Netz war männlich: Laut der ersten ARD-Online-Studie (1997) waren damals 73 Prozent der User Männer. 2004 hingegen ist das Internet in der Mitte der Gesellschaft angekommen: Die Männer liegen nur noch knapp vorn (mit 55 Prozent). Auch das Alter der Internetnutzer entspricht heute mehr dem Bevölkerungsdurchschnitt.

War 1997 nur ein gutes Viertel (27 Prozent) der User 40 Jahre oder älter, so beträgt deren Anteil heute immerhin 44 Prozent. Dazu hat kräftig beigetragen, dass der Zuwachs bei den Surfern ab 54 Jahren am größten ist: Ihre Zahl stieg zwischen 2002 und 2004 um 38 Prozent, teilt das Statistische Bundesamt mit (11.04.05). Auch in Sachen Bildung zeigt sich heute ein repräsentativeres Bild: Hatten 1997 noch 21 Prozent der User Abitur und sogar 41 Prozent einen Studienabschluss in der Tasche, so betragen diese Anteile heute nur noch jeweils 13 Prozent.

Hyperaktive, Routiniers und Flaneure

Die aktuelle ARD/ZDF-Online-Studie stellt eine Typologie derjenigen vor, die das Netz regelmäßig und aktiv nutzen (47,5 Prozent aller User). Die größte Gruppe ist die der "routinierten Informationssucher" (17,3 Prozent), die sowohl beruflich als auch privat surfen. Sie sind meist berufstätig und mittleren Alters. "Junge Hyperaktive" stellen den kleinsten Anteil (7,0 Prozent). Sie nutzen fast alle Angebote wie Chats, Foren und Newsgroups, Spiele und Auktion. Das Internet ist für sie eine Art Lebensraum geworden. "Junge Flaneure" (9,8 Prozent) sind wie die "Junge Hyperaktiven" oft noch Schüler, für die jedoch die Informationssuche im Vordergrund steht. Die "E-Consumer" (13,4 Prozent) betrachten das Internet vor allem als Marktplatz.

Nachrichten aus Deutschland und dem Ausland interessieren Informationssucher am meisten (24 Prozent der User). An zweiter Stelle stehen Wissenschaft und Forschung (19 Prozent), dicht gefolgt von Informationen aus der Region, in der die User leben (16 Prozent). "Das Internet ist erstens so glaubwürdig, weil etablierte Marken dort präsent sind - auch öffentlich-rechtliche Anbieter - und zweitens, weil die Nutzer Quellen vergleichen können", erläutert Jo Groebel den nachrichtlichen Stellenwert des Web. In Zukunft werde Otto Normaluser wahrscheinlich mehr Breitbandangebote wie Internetfernsehen, Filmangebote oder Internettelefonie nutzen. Und wenn das alles noch mobil wird, dann wird das Internet vielleicht ein "Überall-Medium" für jeden.

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